B16: Brahm, Otto 1b Arthur Schnitzler an OB, Abschrift, Seite 117

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Berlin, 13.9.1901.
Luisenplatz 2.
Lieber Herr Schnitzler,
Ihre Stücke habe ich wiederholt und mit vielem Geruss
gelesen. Es sind geistreiche Spiele alle drei, vor de-
nen die Vielzuvielen im Theater allerdings ziemlich
rathlos stehen dürften (wenn sie nicht gar das Gegen-
theil bald werden, vielzuwenige).Das soll uns aber
nicht abhalten, mit Liebe an die Arbeit der Inscenierung
zu gehen. - Nachdem ich die drei kenne (ein viertes
wäre nicht übel gewesen, doch wird auch so der Abend
voll werden, denke ich) bin ich doch sehr dafür, einen
gemeinsamen Titel zu nehmen, also,falls Ihnen nichts
noch Besseres einfällt, „Litterauturseelen“ (Litteraten-
seelen geht wohl nicht?) Der Sinn der Stückchen wird
dem Publikum so hoffentlich rascher deutlich werden.
Die Folge erscheint mir am besten so: Lebendige Stun-
den,Frau m.d.D.,Litteratur. Das erste ist das richti-
ge,ruhigere Eröffnungsstück, um das mir nach der Fr.
m.d.D., die so viel lebhafter ist, entschieden bange
Votre très bien de
13.9.01.
wäre.- In den „Lebend.St“, deren Wirkung wohl zumeist
auf dem Alten beruht, scheint mir das Wort Heinrichs,
dass die Mutter recht hatte, zu sterben, von unnöthiger
argen Härte; würden Sie nicht sagen mögen: dass sie
nicht umsonst gestorben ist, oder: dass ihr Tod einen
Sinn hatte - das werde ich beweisen. Oder etwas Aehn-
liches. Auch verläuft mir der Schlussatz Heinrichs
etwas im Sande eines blossen „Gesprächs“, ein kräfti-
gerer Accent des Abschlusses schiene mir nöthig.
Das gleiche Bedenken, -nur sehr verstärkt,habe ich bei
der „Frau m.d.D." Auch hier scheinen mir die Worte
des Remigio nach dem Tode des Lionardo nicht glück-
lich und einer Retouche fähig, die Sie leicht finden
würden;hauptsächlich aber die letzten Worte der wiede r
Modernisierten finde ich viel zu kurz abgehackt und
bin sicher, dass sie das Publikum in einer vollstän-
digen Verwirrung zurücklassen würden.Was ist los? wir-
de jeder fragen, auch der Einsichtigere - und Ihren Ge-