B16: Brahm, Otto 1b Arthur Schnitzler an OB, Abschrift, Seite 126

17.12.01.
sehe ich die Geßhr der Verhöhnung,z.B. wenn Paola
sagt: „Du willst dich tödten, ich bins werth“, oder wenn
Paola zusticht und dann Remigio beginnt: „War dies der
Sinn" - Wenn das das Berliner Premierenpublikum aber
wirklich noch frisst, so wird der abgehakte Schluss
die Verblüffung vollenden, und entweder eisiges Schwei-
gen oder etwas Schlimmeres die Antwort sein. Dass da-
mit der ganze Abend ein unglücklicher werden würde, brauch
ich nicht zu sagen. Es wird mir gewiss schwer, Ihnen
dies alles zu schreiben, denn ich ahne wie Ihnen dabei
zu Muthe ist - aber besser bewahrt als beklagt; und
lieber will ich Sie durch Reden verstimmen, als durch
Schweigen schädigen.-
Praktisch betrachtet, fragt es sich nun, ob Sie dieser
Anregung eine Folge durch Zustimmung geben wollen, oder
ob Sie sich etwa entschliessen,früher herzukommen,
um selbst zu sehen. Die nächste Probe der „Frau m.d.Un.
ist auf Freitag 10 Uhr angesetzt (die Stunde könnte
auch geändert werden),Sonnabend ist keine Probe des
17.12.01.
Stückes vorgesehen, doch liesse sie sich ansetzen.- Ich
weiss wohl, dass es für Sie in dieser Weihnachtszeit
schwer sein würde, zu kommen; doch wie viel Ihnen diese
Fragewerth ist, haben Sie mir ja selbst schon öfter
ausgesprochen!- Ob man eventuell an Stelle der Frau
m.d.D. den „Puppenspieler“ setzen sollte, oder sich auf
3 Stücke beschränken, bliebe natürlich Ihnen überlassen;
ich wäre für das Letztere! Aber bald müssten wir darü-
ber ins Klare kommen, da der ganzen Situation des Thea-
ters nach, und auch wegen des Urlaubes der Triesch, eine
Verschiebung des Termins über den 4.Januar nicht mög-
lich wäre.
Wegen der „Litteratur" lege ich Ihnen, auch unter dem
Eindruck der Bühne, den Wunsch nochmals nahe, eine be-
sondere Bezeichnung (nach Muster von „Groteske“) zu
finden,die dem Publikum sagt:dies ist ein besonderer
Fall und Stil. Sehr erbaut bin ich nach wie vor von
den „Lebendigen Stünden“, die ich ebenso reif in der