B16: Brahm, Otto 1b Arthur Schnitzler an OB, Abschrift, Seite 186

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Weisser Hirsch bei
Dresden,11.6.1905.
Lieber Freund, als ich die einliegende Notiz las, habe ich
natürlich gleich an Sie gedacht: war es doch der Traum
Ihrer Jugendjahre, der da in Erfüllung ging, nur dass lei-
der kein Stück von Ihnen auf dem Spielplan stand. Ich
habe an die sem denkwürdigen Ahend, zur Feier des Einzugs
der hohen Braut, meinem bewährten Patriotismus durch eine
Aufführung der „Wehr“ Ausdruck geliehen, und es geht die
Sage, dass an die hundert Personen damals im Lessing-
Theater - die auf der Bühne und an den Logenthüren nicht
gerechnet - versammelt gewesen sein sollen.
Ich bin seit 14 Tagen hier,und wohl noch zu eben so vie-
len verurteilt; dann will ich zu Hauptmann fahren und
Mitte Juli nach Südtirol gelangen. Fulda lookt nach dem
Karersee, und da werd ich wohl auch meinen Anfang neh-
men. Wie sind Ihre Pläne? Es wäre doch fein,wenn wir
nach so vielen Jahren des Kokettirens mit gemeinsamen
Sommerfahrplänen wirklich einmal auf einem Fleck uns
11.6.05.
versammelten.
Was macht die Dramatik? Fischer, der auch hier war und
Ihr Verleger sich nennt,behauptete, Sie hätt en ihm von ei-
ner fertigen Bühhenarbeit geschrieben - ich bestritt es
in dem Bewusstsein, dass ich das doch auch wissen müsste?
Herzlich grüssend
(Inliegender Zeitungsausschnitt:) Unter der Festfreudig-
keit der Berliner hatte begreiflicherweise die Theater-
freudigkeit erheblich gelitten. So musste, wie wir erfah-
ren, das „Zentral-Theater“, in dem ein Ensemblegastspiel
des „Berliner Theaters“ sta tfinden sollte,gestern
Abend geschlossen bleiben, da sich kein einziger Besucher
eingestellt hatte.