Berlin, 27.6.1905.
Lieber Freund,
aus Ihrem Brief habe ich gern erfahren, dass Sie mit Ih-
rer Komödie so gut wie fertig sind; anderes erfahre ich
weniger gern. Dass wir uns wieder nicht treffen können,
ist mir leid (die Aussicht auf Salzburg ist wohl von bei-
den Seiten unbestimmt), und dass Sie von den zwei Stücken
mit denen Sie die Saison verschönen wollen,mir nur ei-
nes anvertrauen wollen, bedauere ich umso mehr, als Sie mir
bei meiner Anwesenheit in Wien zu Ostern das Gegentheil
bestimmt versprachen. Sie sagten damals,vollkommen spon-
tan und ganz deutlich, dass Sie (ein doppelt geöffnetes
Haus) zwei Stücke zugleich mir überreichen wollten, und
ich quittierte dies dankend, und wahr sehr gerührt. Wenn
Sie nun, ich weiss nicht unter welchen Eindrucken,Ihre
Absicht, so deutlich sie auch ausgesprochen war,
gänzlich geändert haben, so kann es nicht meine Sache
sein, in Ihre Entschliessungen eingreifen zu wollen; nur
möchte ich Ihnen zu erwägen geben,ob Sie nicht,bei noch-
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maliger Ueberlegung,finden, dass Sie mir ein gewisses Vor-
recht einräumen sollten, dahin gehend, dass Sie auch mir
eine Stimme bei der Entscheidung der Frage lassen,wel-
ches der beiden Stücke für unser Theater geeignet sei,
und dass Sie mir also einen Einblick in beide gewähren,
bevor Sie etwas abmachen; meiner völligen Diskretion in
diesem Falle (wie in andern) brauche ich Sie nicht erst
zu versichern. Aber auch das gebe ich Ihnen noch zu erwä-
gen, dass, je schneller Sie mir die Komödie zusenden,
desto besser der Platz an der Sonne sein könnte, den ich
Ihnen ausmittle; denn naturgemäss kann ich nur mit den
habenden, nicht mit den habensollenden Stücken rechnen,-
und wer zuerst kommt,malt zuersi. Sollten Sie dann auf
meinen Vorschlag eingehen, und mich später auch das zwei-
te Stück lesen lassen,und sollten wir beide finden, dass
dieses das „Geeignetere“ sei, nun, so könnte man ja immer
noch das Spielchen spieben : Verwachselt, verwechselt das
Bäumchen - und Sie behielten Ihren guten Platz.- -