B16: Brahm, Otto 1b Arthur Schnitzler an OB, Abschrift, Seite 223

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Noordwijk aan Zee, 21.7.1906.
Lieber Freund,
ich erfahre natürlich sehr gern, dass Sie so productiv
sind. Zwar habe ich das über den Einakter Gesagte, und
wie er sich zu einem Cyclus verhält, bis heute nicht
entziffern können (das gründl iche Studium bedingte die
späte Antwort), freue mich aber um so mehr über den Be-
ginn des A-Stück es, das wir vielleicht in Zukunft, im In-
teresse der xxxx Discretion, das B-Stück nennen
können, oder das A-B-C-Stück - da es gewiss ein A-ß-C
neuester Dramatik und vornehmster Poesie werden wird -
jedenfalls schläft es in meinem verschwiegensten Busen-
theil eben so tief, wie es in ihrer phantasie wachsen
und gedeihen möge!
Aber für Ihre Intuition, die mich mit Marien-
Lyst fangen will, fürchte ich, vieltheurer Meister: ich
sitze hier recht fest, und 24 Stunden Fahrt sind kein
leerer Wahn. So denke ich denn bis zum 1. August dazu-
bleiben, und dann will ich etwas ziemlich Verrücktes ma-
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chen, nämlich mich auf etwa 8 Tage nach Berlin setzen
und einen Jbsen-Artikel schreiben, der zwar hier schon
lebhaft gegen meinen Schädel hämmert, aber sich doch
sträubt, in Holland zur Welt zu kommen. Dies vollbracht
habend, werd ich wohl noch mal ausfliegen; aber dann
sind Sie ja schon am Aufbruch, und ich dirigire mich ver-
mutlich helgolandwärtspder ins schläsische.
Die ersten Bände des Bülow kenne ich gar nicht,
ich glaube, bei Nr.3 hab ich begonnen. - Fr.Jonas und
ihre Kinder sind jetzt hier und wir alle grüssen Sie al-
le herzlich und freundschaftlichst.
O.B.