B16: Brahm, Otto 1b Arthur Schnitzler an OB, Abschrift, Seite 279

276 Berlin, 4.10.1910.
Lieber Freund,
ich schreibe Ihnen aus Tegel bei Berlin, wohin ich
heute gefahren bin, um in einem Kurhaus, das früher
„Schloss Tegel" und Humboldtisch war, ein bischen aus-
zuruhen. Vielleicht auch, zu arbeiten. Vielleicht such,
owas über Kainz zu schreiben. Natürlich ist das Wet-
ter sofort umgeschlagen, und ich sitze um 5 bei der
Lampe. Natürlich ist auch die Concurrenz bei Wege,
und die Empfangsdame fragte mich zuvorkommend, ob ich
einen Tisch etablieren wolle, - mit Moissi.
Aber das alles wollen Sie ja gar nicht wissen. Das
ist selbst Ihnen ein zu weites Land; und ich wen-
de mich zum näheren. O,lieber Schnitzler, weshalb ha-
ben Sie nicht die Nr.3 damals acceptiert, dann wären
wir aus dem Hin und Her raus. Theater ist eine ris-
kante Sache, allemal doch; deshalb hilft alles Chancen-
Erwägen nichts, der Mensch soll zugreifen! Ob Sie gut
tun, Berlin, wenn das Burgtheater noch nicht mitkommen
4.10.10,
276.
kann, wir-zulassen, das kann ich, so sehr mich Ihr Ver-
trauen ehrt, nicht entscheiden; pro und contra lässt
sich so viel sagen, dass nur Sie das Ja oder Nein sa-
gen dürfen. - Den Januar kann ich Ihnen nun beim
schönsten Willen nicht mehr zusichern, wohl aber die
Mitte des Februar, die auch noch eine sehr schöne Zeit
ist. Es ist für mich ungeheuer schwer,in diesem Ge-
dränge von Autoren, urlaubheischenden Mimen (und -
glücklicherweise - auch von Publikum) auf Monate hinaus
zu disponieren, das habe ich Ihnen immer wieder zu
predigen. Insbesondere der Triesch schulde ich einen
Urlaub, und habe den, da sie den Dezember nicht accep-
tirt, nun in den Januar gelegt, woraus eben der Februar-
Termin resultirt. - Also überlegen Sie sich bitte die
Sache mit Ihrem Daimation; seien Sie nicht zu schnell
mit dem Entschluss: nächste Saison rate ich nicht -
weshalb, des wüssten Sie ja selbst, wenn ichs Ihnen