B16: Brahm, Otto 1b Arthur Schnitzler an OB, Abschrift, Seite 317

(14.9.96.)
das Stück, wenigstens den 1.Akt daraufhin noch einmal
durchnehmen.-
Dass ich Frau Sorma in Wien gesprochen habe, wis sen
Sie jedenfalls schon, und auch ihr gegenüber hab ich
kein Hehl daraus gemacht, dass mir die Besetzung der
Anna durch sie ausserordentlich wünschenswert erschie-
ne;vor allem aus dem einfachen Grunde, weil sie die Rol-
le jedenfalls herrlich spielen würde; aber ich sehe voll-
kommen ein, dass ich keinen Anlass hätte, bei eventuel-
len Schwierigkeiten, die sich vom Repertoire aus oder
aus der Abneigung der Künstlerin gegen die Rille
her entwickeln könnten, auf dieser idealen Besatzung
zu bestehen.- Herrn Sauer kenne ich nicht gut genug,
um über seine Eignung für den Karinski mitsprechen zu
können - aber meine Ueberzeugung, dass Kainz, den ich
kenne, sich für den K. unvergleichlich eignen würde,
können Sie mir - vorläufig - nicht nehmen.-
Die Gefahren des Schlusses mit dem Kaall verkenne ich
(14.9.96).
durchaus nicht ; aber ich fürchte, das wird sich nicht
vermeiden lassen; denn dadurch, dass ich den letzten Zu-
sammenstoss zwischen den zwei Menschen langsam hinter
die Szene spielen liesse - und mehr könnte ich ja
nicht tun - hab ich nicht viel erreicht; knallen möcht's
noch immer, und die Schläuern im Publikum merkten, dass
ich scheinbar einem Effekt aus dem Wege ginge, ohne
ganz desselben entraten zu können.
Hier ist der Moment Ihnen mitzuteilen,was Burckhard
von diesem letzten Akt denkt. Ich sch icke voraus,
dass B. mir das Stück mit den Worten zurückbrachte:
er gratuliere mir - und Ihnen, der es aufführen dürfe,
denn er halte es für einen „pupillarsichern Sensa-
tionserfolg". (Ich habe nicht die moralische Kraft
Ihnen das zu verschweigen, aber es muss immerhin bedacht
werden, dass sich manche Direktoren schon manchmal ge-
täuscht haben.) Nur der Schluss des 3. Aktes ist nicht