B16: Brahm, Otto 1b Arthur Schnitzler an OB, Abschrift, Seite 359

5.2.1903.
Lieber Herr Brahm,
Eben war H. Lehner (zum 2.Mal) mit den Modell des
4.A. da, es geht sogleich an Sie ab, und die Decoration
als ganzes kann in 10-12 Tagen fertig sein. Wollen wir
hoffen, dass auch die übrigen Decorationen sich so gut
praesentieren. Ich danke Ihnen, dass Sie sich die Sache
auch nach dieser Richtung angelegen sein lassen.
In anderer Richtung erlaube ich mir vor allem den
freundlichen Wunsch auszudrücken, eine vollständige Be-
setzungsliste vor Augen zu bekommen; wir hatten das
Stück nicht ganz durchbesetzt, insbesondere weil Ihnen
einige Leute fehlten; auch standen, insbesondere die
Weiber noch lange nicht fest; für die Frau Mardi han-
delte es sich um ein Neuengagement,da an die sonst so
treffliche Poellwitz nicht zu denken ist; ob Dumont
die Lucrezia übernähme, war nicht mit Sicherheit voraus-
zusehn; auch die Rosina schwebte in der Luft,- u.s.w.-
Dass Sie sich zu Rittner Filippo entschlossen haben,
(5.2.03.)
ist mir erfreulich; sein Temperament wird uns über man-
che dramatische Unbehaglichkeiten dieses immerhin in-
teressanten Patrons hinweghelfen. Ueber die Umbesetzung
des Herzogs bin ich weniger erschüttert als Sie wahr-
scheinlich erwartet haben:- bei aller Bewunderung für
B.- manche seiner Anlagen und manche seiner Neigungen
lassen ihn zur Darstellung kräftiger Menschen nicht
sonderlich geeignet scheinen; hingegen kann uns sein
Credit u. seine Bedeutung (nicht gerade seine Eignung)
die Rolle des Francesco beträchtlich heben und - was
hoffentlich nicht nöthig sein wird - im letzten Akt
retten. Ky. hat immerhin das gute, Elemente von Kainz
und Rittner aus zweiter Hand in sich zu vereinigen;
spricht gut, wenn er nicht in ein maniristisches Hetzen
verfällt, und hat Haltung, wenn auch keineswegs Grösse.
Wir wollen an ihn glauben.- Sommerst. hat für den Andres
tie die nöthige Würde und den Rest von Jugendlichkeit,