B16: Brahm, Otto 1b Arthur Schnitzler an OB, Abschrift, Seite 364

1 1/2, järz
33 Wien, XVIII.Spöttelgasse 7.
(17.9.03.)
2.11.1903.
tieferen Abgrund gerissen worden bin, als ich verdient
Lieber Herr Brahm, heute ist der einsame Weg an Sie ab-
habe. Vielleicht kommt doch noch eine Gelegenheit, den
gegangen. Ob das Stück als ganzes gelungen ist, vermag
armen Georg, der ohnedies wenig Gutes in seinem Leben
ich heute nicht zu sagen; aber in Hinsicht auf mein Be¬
gehabt hat, ein wenig emporzuziehen.
mühn darf ich mir diesmal keinen ernstlichen vorwurf
Dass wir Georg, den Wirklichen und Elly neulich in der
machen. Dass das Stück eigentlich zwei nahezu gleich
Spöttelgasse begrüssen durften, wissen Sie wahrschein-
berechtigte Handlungen enthält, wird hoffentlich als
lich schon von ihm selbst. Ueber sein neues Stück
Mangel nicht empfunden werden,wenn es herauskommt, wie
scheine ich nahezu das gleich geäussert zu haben wie
zum Schluss die beiden Handlungen zusammengefasst wer-
Sie, lieber Herr Brahm. Wesentlich ist und bleibt, dass
den und in einem tiefen Sinn verglänzen oder verdäm-
es wieder ganz unwidersprechlich nach aufwärts deutet,
mern. Aber die Kritik bleibe Ihnen überlassen, so sehr
und die Gabe des Autors, auf die es doch vor allem an-
ich noch mancherlei zu bemerken hätte. Ich möcht nun
kommt, Menschen hinzustellen, von neuem und manchmal
heute schon - die Annahme durch das deutsche Theat er
mit Intensität beweist. Es war mir übrigens erlaubt,
vorausgesetzt - ein paar Worte zur Besetzung beifügen.
ihm noch allerlei über Vorzüge und Fehler seines Wer-
Die Schwierigkeit beginnt bei der ersten Person des
kes zu sagen.
Theaterzettels, Wegrath - bei dem ich es unangenehm em-
Für heute ge nug, da wir im Begriff sind, frankgassen-
pfinde, dass Sie Sonnenthal nicht engagiert haben. Frü-
wärts zu wandern.
her hätt ihn Reinhard (nicht meinen innern Gesichten
Seien Sie mir nochmals gegrüsst.- Ihr getreuer
A.S.