B16: Brahm, Otto 1b Arthur Schnitzler an OB, Abschrift, Seite 363

32 Wien, XVIII.Spöttelgasse 7.
17.9.1903.
Lieber Herr Brahm,
nun kommt man allmälig in Ordnung,hat aber,bei dem jam-
mervollen Wetter, wenig von den schönen Balkonen und
sieht, durch Regenschauer hindurch, den alten Garten
gegenüber allmälig die schwermütige Herbstestracht an-
legen. Es ist, unter diesen Umständen, nicht einmal ge-
wiss, ob wir Wien, wie es unsre Absicht war,in den näch-
sten Tagen verlassen und, wie wir ursprünglich wollten,
nach Salzburg, oder wie noch ursprünglischer die Absicht
war, nach dem Gardasee reisen. Vielleicht leg ich hier
die bekannte letzte Hand (wird es dieletzte sein?)
an mein Stück. Jedenfalls nehm ich es schon in den al¬
lernächsten Tagen vor und sag Ihnen dann gleich mehr
darüber.
Dass ich Ihnen erst heute für Ihren liebenswürdigen
Glückwunsch danke, entschuldigen Sie mir mit Rücksicht
auf die Unordnung dieser letzten Wochen. Ich freu mich
von Herzen, dass Sie an meinen Schicksalen so warmen
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(17.9.03.)
Antheil nehmen - mög es so bleiben!
- Ueber die Premiere von Sanstag weiss ich nicht
mehr, als was in der N.Fr.Presse,Zeit, u.W.Journal
stand - ich habe bis zum heutigen Tag keine Berliner
Zeitung gelesen, da ich die löbliche Gewohnheit angenom-
men habe, Kritiken erst Monate lang nach ihrem grschei -
nen anzusehn, was die richtige Distanz zu ihnen gewährt.
Mancher Aerger wird auf diese einfache Weise wegesca¬
motiert. Ein Tadel, der ein paar Wochen alt ist, hat nur
mehr die Kraft zu bessern (wenn er sie hat!) aber
nicht mehr die zu verletzen. Trebitsch schrieb mir ei-
nen sehr netten Brief, in dem er mir sagt, dass ihn der
Erfolg des Ruppenspielers über den Durchfall des Tughld
einigermassen getröstet habe. Im ganzen scheint es ja
doch, dass die Studie auf manche Leute einen angenehmen
Eindruck gemacht hat, und ich bedauere es nur einiger-
massen, dass ich durch den bösen Ridenbach in einen