B16: Brahm, Otto 2 Arthur Schnitzler an Brahm, Abschrift (Fortsetzung) , Seite 13

Marienlyst, 28. Juli 1906.
Lieber Freund, als Ihr Brief ziemlich lange ausblieb,
dachte ich schon, dass Sie persönlich eines Tags hier
auftauchen würden. Nun muss aber wohl, nach Ihren neu¬
esten Plänen, überhaupt ein Wiedersehen in diesem Som¬
mer ausser Frage gestellt werden. Wir wollen ca. 10.
August Mlyst. verlassen, dann auf 3 Tage etwa nach Ko-
penhagen, dann nach Kiel und einen Blick ins Schleswig-
Holsteinische thun; dann nach Berlin (auf Stunden nur)
den Buben mit dem Frl. nach Wien schicken, und dann
will ich mit Olga nach Weimar (das ich noch nicht ken-
ne) ins Thäringische und so allmählig in die Heimat.
Marienlyst gefällt mir nach wie vor aufs allerbeste.
Doch ist nun der Höhepunkt überschritten und eine ge¬
wisse Unruhe beginnt mich zu ergreifen. In dem B.Stück
bin ich in den 4.Akt gediehen (erste Niederschrift,
aber im ganzen etwas fertiger als sonst meine ersten
Niederschriften sind) und will die Skizze (die ausführ-
licher aber nicht so praecis ist wie das endgiltige zu
(28.7.06.)
sein hat - hätte) jedenfalls hier vollenden. In Wien
(September) wird die Skizze diktiert, dann ruhn gelas-
sen, wie lange weiss ich nicht - aber ich glaube, sie
wird mich nicht lange ruhn lassen. Wie immer beinahe
hab ich auch diesmal das vielleicht täuschende Verlan-
gen: wenn ich das endgiltige doch einem andern überlas-
sen könnte, der mehr Künstler wäre als ich. Ueber den
Sinn der Gestalten, über den Geist ihrer gegenseitigen
Beziehungen kann jetzt kein Zweifel mehr sein, und ihre
Schicksale sind festgestellt - was jetzt noch zu ma¬
chen ist, könnten andre besser machen als ich, den es
eigentlich schon zu andern Phantastereien und Realiste-
reien lockt. Während ich an dem C.Stück schrieb, spürt
ich plötzlich, dass zwei andere Stoffe vonn mir, der eins
vollkommen seenirt, der andre zu ein viertel oder ein
drittel dialectisirt, mit diesem D.Stück in einem innern
Zusammenhang stehn. Eine Trilogie (pardon für das pom-
pöse Wort) mit dem Obertitel etwa: „O du mein Oester-