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Wien, 27.1.1912.
Lieber Freund,
als ich Ihnen zuletzt schrieb, war meine Idee nach
Berlin zur „Mizzi“ zu reisen, noch nicht aufgegeben;
es fanden Verhandlungen mit Schönherr statt, mündlich
u.schriftlich - und wenn er gefahren wäre, wär ich auch
zu Ihnen gekommen. Nun war ich gestern Abend bei ihm-
fand ihn aber durchaus abgeneigt, trotz mancher Pro-
Gründe, die ich vorzubringen in der Lage war. Und da es
doch recht spassig aussähe, wenn das Dessert sich be-
dankte, während das Rostbeaf es unterlässt - die Deca¬
dence vor dem Vorhang erschiene,während die Urkraft
daheim bleibe - und überdies mein Specialbedürfnis
mich vor Ihrem Premierenpublikum höflich zu verteugen
ein verschwindend geringes ist,- so hab ich michwenn
dadurch auch unser Wiedersehen bis zum Mai hinausrückt,
doch entschieden, nicht zu kommen. Seien Sie also für
Ihre nochmalige liebe Einladung herzlichst bedankt.
Ihres Verstündnisses bin ich, wie auch in Fällen von
27.1.12.
höherer Bedeutung, im innersten gewiss.- Dass Sie auf
meine Anregung, das Mai-Spiel betreffend, in Träumen
und Wachen so freund ich einzugehen wissen, dank ich
Ihnen gleichfalls. Das Zw. wäre mit Hinsicht auf Ihre
ganze Repertoiregestaltung wohl vorzuziehen, - für Sie
vor allem, weil hier 2 oder 3 Proben vollauf genügten.
Und dem E.W., müssten Sie mindestens eine Woche weihen-
und es ist sehr fraglich, ob sich, mit einem mindern Sa¬
la und einem auch nicht eben vergnüglichen Fichtner,
die Mühe lohnen würde.
Der grosse Erfolg von Gebriel Schilling, so berechtigt
ich ihn finde, wie Sie wissen, ist doch hinsichtlich
Kritiker-u.Publikumspwychologie recht interessant.
Die Bescheidenheit wird belohnt und das Leben ist zu¬
weilen eine moralische Erzählung. Hätte Hauptmann im
Vorwort nicht eine einmalige, sondern hundert Auffüh-
rungen gewünscht, die Herren wären strenger gewesen.
Was aber mich anbelangt, so wünsche ich von ganzem
Wien, 27.1.1912.
Lieber Freund,
als ich Ihnen zuletzt schrieb, war meine Idee nach
Berlin zur „Mizzi“ zu reisen, noch nicht aufgegeben;
es fanden Verhandlungen mit Schönherr statt, mündlich
u.schriftlich - und wenn er gefahren wäre, wär ich auch
zu Ihnen gekommen. Nun war ich gestern Abend bei ihm-
fand ihn aber durchaus abgeneigt, trotz mancher Pro-
Gründe, die ich vorzubringen in der Lage war. Und da es
doch recht spassig aussähe, wenn das Dessert sich be-
dankte, während das Rostbeaf es unterlässt - die Deca¬
dence vor dem Vorhang erschiene,während die Urkraft
daheim bleibe - und überdies mein Specialbedürfnis
mich vor Ihrem Premierenpublikum höflich zu verteugen
ein verschwindend geringes ist,- so hab ich michwenn
dadurch auch unser Wiedersehen bis zum Mai hinausrückt,
doch entschieden, nicht zu kommen. Seien Sie also für
Ihre nochmalige liebe Einladung herzlichst bedankt.
Ihres Verstündnisses bin ich, wie auch in Fällen von
27.1.12.
höherer Bedeutung, im innersten gewiss.- Dass Sie auf
meine Anregung, das Mai-Spiel betreffend, in Träumen
und Wachen so freund ich einzugehen wissen, dank ich
Ihnen gleichfalls. Das Zw. wäre mit Hinsicht auf Ihre
ganze Repertoiregestaltung wohl vorzuziehen, - für Sie
vor allem, weil hier 2 oder 3 Proben vollauf genügten.
Und dem E.W., müssten Sie mindestens eine Woche weihen-
und es ist sehr fraglich, ob sich, mit einem mindern Sa¬
la und einem auch nicht eben vergnüglichen Fichtner,
die Mühe lohnen würde.
Der grosse Erfolg von Gebriel Schilling, so berechtigt
ich ihn finde, wie Sie wissen, ist doch hinsichtlich
Kritiker-u.Publikumspwychologie recht interessant.
Die Bescheidenheit wird belohnt und das Leben ist zu¬
weilen eine moralische Erzählung. Hätte Hauptmann im
Vorwort nicht eine einmalige, sondern hundert Auffüh-
rungen gewünscht, die Herren wären strenger gewesen.
Was aber mich anbelangt, so wünsche ich von ganzem