B121: Fischer, Salomo_SF an Arthur Schnitzler 1915-1930 Originale, Seite 897

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10. Adelphi Terrage, London W.C.2
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3. November 26.
Mein lieber Herr Fischer,
Sie werden sich gewundert haben, daß ich solange zu der
außerordentlichen Ehrung geschwiegen habe, die Sie mir anläßlich
meines 70. Geburtstages übermitteln ließen und die von so vielen
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hervorragenden Namen nicht nur Deutschlands, sondern ganz Europas,
ja sogar der ganzen zivilisierten Welt unterzeichnet war und auch
die Unterschriften von manchen geschätzten persönlichen Freunden
trug. Aber die Wirkung war, als ob Sie eine schwere goldene Kette
um den Hals einer Gans gehängt hätten, sodaß der arme Vogel, unter
besten Absichten, auf den Grund des Teiches sank.
Wäre ich bei vollkommener Gesundheit und in der vollsten
Lebenskraft meiner Jugend gewesen, so würde ich mich rascher von
dem Sturz erholt haben, aber ich war 70 und - ein unglücklicher
Zufall fügte es - von langer ernster Krankheit nur halb genesen.
Was sollte ich tun? Ich hätte Ihnen mit einem herzlichen Hände-
druck danken können, so wie ich Ihnen jetzt innigst dafür danke,
daß Sie sich bei der Veranstaltung der Glückwunschadresse soviel
freundlicher Mühe unterzogen haben. Ich hätte Treitsch umarmen
können, dem ich meinen Ruf in Deutschland verdanke. Aber wie kann
man einer Reihe von Bergen die Hand schütteln oder Walhalla um-
armen? Stellen Sie sich den alten Mann vor, wie er überwältigt
den Kopf schüttelt und murmelt: „Bitte, bitte, sehr verbunden,
tausend Dank" usw. usw., bis er erschöpft in Schlaf sinkt!
Blatt 2.