B121: Fischer, Salomo_SF an Arthur Schnitzler 1915-1930 Originale, Seite 898

Votre très jusqu'a M.
Shaw.
Blatt 2.
Ich gestehe, daß ich mich aus der Affaire zog, indem ich
einfach davonlief. Eine Rede bei einem Bankett, ein Brief an
Herrn Stresemann, der die erfreulichsten Eifersuchtsäußerungen in
der Londoner Presse hervorrief - und ich flüchtete nach Italien
und gab Anweisung, allen Journalisten und allen Leuten, die aus¬
sahen, als ob sie die Absicht hätten, mir zu gratulieren, mitzu-
teilen, daß ich am Morgen beim Baden im Lago Maggiore ertrunken
wäre.
Bei meiner Rückkehr hoffte ich, daß alle meinen siebzigsten
Geburtstag ganz vergessen hätten; aber die Ermahnungen meiner
Frau, die darauf zu achten hat, daß ich mich richtig benehme, und
ein Besuch von Trebitsch weckten mein eingelulltes Gewissen auf
und brachten mir zum Bewußtsein, daß ich Ihnen schreiben und Sie
bitten müsse, zu tun, was Sie können, um den Unterzeichnern der
Adresse die Versicherung zu übermitteln, daß nicht eine Zeile
davon ohne Eindruck auf mich geblieben ist. Abgesehen von der
warmen persönlichen Freude, die sie mir bereitet hat, werde ich
sie als eine unanfechtbare Bestätigung meines Erfolges als Diener
der europäischen Literatur bewahren. Wenn ich dereinst vor dem
wie
Jüngsten Gericht erscheine, und von mir zur Sprache kommt
es sicherlich der Fall sein wird, wenn der Engel des Gerichts zu-
fällig ein Engländer sein sollte —, ich hätte mich anmaßender¬
weise für einen Schriftsteller von einigen Verdiensten gehalten,
dann werde ich erwidern: „Deutschland hat so gedacht", und das
wird die Sache entscheiden.
Ihr ergebener
gez. G. Bernard Shaw.
perdu-