Strassburg 1.E., 22.4.14.
Professor Simmel.
Sehr geehrte Herren.
Nach längerer Ueberlegung kann ich mich
nun doch nicht entschliessen, für die Freigabe von
Schnitzlers “Reigen“ einzutreten. Es handelt sich
für mich dabei gar nicht um das Werk selbst, in dem
ich eine der erschütternsten Menschheitstragödien
und selbstverständlich keine Spur von Laszivität oder
unkünstlerischer Pikanterie erblicke. Allein unser
Publikum ist dafür absolut nicht seif. Es würde, in
seiner überwältigenden Majorität das Buch nur im
pornographischen Interesse lesen und meiner Meinung
nach sollte angesichts der schweren Schädigung unse-
rer Volksgesundheit durch die ungeheure Masse der
Literatur.die solchen Zwecken dient oder zu ihnen
missbraucht wird die Prophylaxis eher zu rigoros als
zu weitherzig sein,- selbst um den Preis, dass ein so
bedeutendes Werk darunter leidet. Bedürfte es hier-
für noch einer Bestätigung, so würde sie mir durch
die in dem Bande abgedruckten Kritiken geliefert,die
nicht nur das Aeusserste an Verständnislosigkeit
leisten, sondern bei denen,mindestens zum Teil, die
von mir angedeuteten Reaktionen unter dem entgegen-
gesetzten Schein deutlich spürbar sind.
Aus diesen Erwägungen heraus bin ich zu
meinem eigenen grossen Bedauern nicht imstande,Ihre
Aktion zu unterstützen.
In grosser Hochachtung
Simmel.
Professor Simmel.
Sehr geehrte Herren.
Nach längerer Ueberlegung kann ich mich
nun doch nicht entschliessen, für die Freigabe von
Schnitzlers “Reigen“ einzutreten. Es handelt sich
für mich dabei gar nicht um das Werk selbst, in dem
ich eine der erschütternsten Menschheitstragödien
und selbstverständlich keine Spur von Laszivität oder
unkünstlerischer Pikanterie erblicke. Allein unser
Publikum ist dafür absolut nicht seif. Es würde, in
seiner überwältigenden Majorität das Buch nur im
pornographischen Interesse lesen und meiner Meinung
nach sollte angesichts der schweren Schädigung unse-
rer Volksgesundheit durch die ungeheure Masse der
Literatur.die solchen Zwecken dient oder zu ihnen
missbraucht wird die Prophylaxis eher zu rigoros als
zu weitherzig sein,- selbst um den Preis, dass ein so
bedeutendes Werk darunter leidet. Bedürfte es hier-
für noch einer Bestätigung, so würde sie mir durch
die in dem Bande abgedruckten Kritiken geliefert,die
nicht nur das Aeusserste an Verständnislosigkeit
leisten, sondern bei denen,mindestens zum Teil, die
von mir angedeuteten Reaktionen unter dem entgegen-
gesetzten Schein deutlich spürbar sind.
Aus diesen Erwägungen heraus bin ich zu
meinem eigenen grossen Bedauern nicht imstande,Ihre
Aktion zu unterstützen.
In grosser Hochachtung
Simmel.