A62: Medizinische Schriften, Seite 18

Med. Krit.34
verleihen, welcher der Grossartigkeit sicher nicht
entbehrt.
Aber um diesen Zuzug, der nach dem Konti-
nente stattfindet, zu begreifen,genügt es noch
nicht, die Gründe zu kennen, die jene Fremden nach
einer bestimmten Stadt hinleiten; man muss auch
verstehen, was sie aus ihrer Heimat forttreibt
Zweifellos können es nicht die Vorzüge fremder Schu
len allein, es müssen auch die Mängel der eigenen
sein, welche in dieser Richtung wirken.Nun, die eng
lischen medizinischen Schulen scheinen deren zu be-
sitzen, wenn ich aus der Physiognomie schliessen
darf, welche mir London in dieser Hinsicht darbie-
tet; und doch kann ich mich des Eindruckes nicht
erwehren, dass gerade in diesem medizinischen Eng
land die Keim einer grossen Zukunft stecken -dass
es alle Anläge hätte, in seinem Gebiete die mächtig
sten Schulen zu bilden; dass diese Wirrheit nur ei-
ner kräftigen Hand bedarf,die sie löst, eines ad -
ministrativen Genies, welches einigt und zusammen-
Für uns — man gestatte mir den Aus¬
hält,
druck - kontinental denkende Aerzte, ist der Gedan-
ke heute ein ganz unfassbarer, dass man Arzt werden
könne, ohne eine Universität besucht zu haben; es
befremdet uns, dass Prüfungen ganz verschiedenen Cha
rakaters dieselben Rechte:die venia practicandi
verleihen; es wundert uns aber zu allermeist,dass
kein dazu Berufener an die Lösung dieses Widerspru
ches zu denken scheint und dahin arbeitet, die Not-
wendigkeit des Universitätsbesuches zu dekrotieren
und einen einheitlichen Prüfungsmodus zu schaffen.
Englische Aerzte und noch mehr deut sehr Aarzte, die
in England leben, schütteln den Kopf, wenn man mit
ihnen über diese Dinge spricht,und behaupten,dass
in den englischen medizinischen Verhältnissen das
Moment der Trägheit ein so mächtiger Faktor sei,
dass da an Aenderungen nicht zu denken wäre, jetzt
aber stehen die Dinge wie folgt: Um die Möglichkeit
zu erlangen,in Grossbritannien zu praktizieren,kam
man verschiedene Wege einschlagen. Man besucht z.B.