A62: Medizinische Schriften, Seite 60

Med. Krit. 76
Empfindung von Ekel, im besten Falle eine leise,
sähwermütige Erinnerung - voila tout.
Es werden vielleicht manche ein Gefühl
des innigsten Bedauern für - den Helden, den Ola
Hansson sprechen lässt, empfinden, aber mit dem
Wunsch, diesen Helden in eine Pflege- und Bes-
serungsanstalt zu internieren,wird Herr Dr. Rib
bing wohl vereinzelt dastehen.
Nun, was wir bisher angeführt, sind die
Dinge aus Ribbings Buch, die man nicht einfach
bemängeln, sondern bezüglich derer man den Au
tor sogar mit Lebhaftigkeit in gewisse Grenzen
zurückweisen kann. Aber es sind noch einige Be
merkungen innerhalb dieser Grenzen nachzutra-
gen, strittige Punkte zu beleuchten, bezüglich
derer man sich schwerlich den kühlen Nordlands-
träumen Ribbings wird anschliessen können,wenn
sie auch durchaus edlen Anschauungen und viel
leicht auch tiefdurchdachten Erfahrungen ent-
sprechen.
So dürfte wohl die Frage der Abstinenz
in Hinblick auf unsere Zivilisationsverhältnis
so mit zu viel Strenge aufgefasst sein. Auch
teilen wir die Meinung nicht, welche der Verfas
ser gegenüber den durch Abstinenz entstehenden
Krankheiten einnimmt. Dass diese Krankheiten
verhältnismässig seltener sind, als die durch
geschechtlichen Verkehr, das liegt wohl darin
dass die im geschlechtsreifen Alter abstinenten
jungen Leute bedeutend seltener vorkommen als
solche, welche dem sesuellen Verkehre huldigen.
Ueber den moralischen Inhalt der Fra-
ge müsste man freilich Bände schreiben - nun
ist dies freilich schon geschehen - und er hat
sich stets als nutzlos erwiesen. Ueber den Wi
derspruch in den Gesetzen, welche einerseits
die Natur und andererseits die Gesellschaft for
dort, können wir niemals endgültig schlüssig
werden. Individuell empfinden heisst ja - die-
sen Widerspruch nach seiner Weise zu versöhnen.