A62: Medizinische Schriften, Seite 116

Internationale Klinische Rundschau.
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Ein Beitrag zur Darmchirurgie.
ist im Stande, mindestens vier Stunden lang — meistens noch
Von Dr. Ferdinand Obtulowicz in Buczacz (Galizien).
länger — durch eine einzige Dose von 10, beziehungsweise selbst
Vorfall einer grossen Dünndarmschlinge, cirkuläre
von 5 Centigramm, deren eine Morgens, die andere Nachmittags
Resektion eines 69 ctm langen Dünndarmstückes
genommen wird, schmerzmildernd auf den Gelenkrheumatismus zu
wirken. In einzelnen Fällen trat sogar vollkommene Schmerzlosig-
Heilung.
Am 23. Juli 1887 hat Dr. ObtULüwICz zufälliger Weise in einer
keit ein, die stundenlang anhielt. Die Wirkung war eine konstante
nicht in einem einzigen Falle und nicht bei einem enzigen Ver-
armen Bauernhütte an der Grenze seines Bezirkes ein 30jähriges, sehl
elend genährtes Weib angetroffen, welchem beim Aufheben einer
suche schlug sie fehl. Das Hydracetin ist bei akutem Gelenk-
Hanfbürde aus einem grossen, seit sieben Jahren bestehenden Nabel
rheumatismus wie alle anderen jetzt dagegen gebräuchlichen Mittel
nur ein Palliativmittel. Keines dieser Mittel ist im Stande, die
bruche, eine enorme Dünndarmschlinge vor fünf Tagen (18 Juli
Wiederkehr und das Auftreten in neuen, noch nicht befallen ge
herausgefallen ist und. nicht reponirt werden konnte. Der Verf
bemerkte an den Bauchdecken unterhalb des Nabels eine über
wesenen Gelenken zu verhüten.
Den Erfolg der Temperaturherabsetzung und der Milderung
½ m lange, stark ausgedehnte und entzündete Dünndarmschlinge
welche mit fibrinös-eitrigem Exsudate bedeckt war und oberhalb
der Schmerzen hat das Mittel unzweifelhaft seiner stark reduzirenden
von derselben einen stark -zusammengezogenen, faustgrossen Bruch
Wirkung zu verdanken. In einer alkalischen Kupferlösung wird
sack. Der Stuhlgang kam am fünften Tage nach dem Vorfalle der
durch Hydracetinzusatz sofort rothes Kupferoxydul ausgeschieden,
in einer alkalischen Silberlösung bildet sich durch dessen Zusatz
Gedärme von selbst, die Kranke fiéberte im geringen Grade (Temp
38-4° C, Puls 128). Es bestand nur eine leichte Zusammen
ziemlich rasch metallisches Silber; Quecksilberoxydsalz wird in
Quecksilberoxydulsalz übergeführt. Eine interessante Farbenreduktion
schnürung der Dünndarmschlinge im Halse der unregelmässig ge
des Mittels ist folgende: Wenn man Hydracetinkrystalle in Schwefel-
fransten äusseren Bruchst/acköffnung und diese Gestalt derselben
säure mit Salpetersäure (8 + 2) löst, so bekommt man eine pracht¬
wies darauf hin, dass ini Bruchsack ein Verschwärungsprozess zu
Stande kam, welcher ber geringer Anstrengung das Bersten 'der-
volle rothe Farbenlösung.
Bei verschiedenen Kranken, welche Hydracetin in grösseren
selben und Herausfallen der Gedärme zur Folge hatte.
Dosen und mehrere Tage selbst eine Woche hindurch er¬
Da die sehr arme Kranke in ein grösseres Spital (nach
Lemberg) nicht überführt werden konnte, entschloss sich der Verf
halten hatten, wurde der Harn daraufhin untersucht, ob er eine
in einem kleinen, elend eingerichteten Bezirksspitale in Buczacz
grössere Menge von reduzirenden Stoffen enthielt; das scheint indes
die Darmresektion behufs Heilung der Kranken zu vollführen und
nicht der Fall zu sein
sobald die Kranke von dem drei Meilen" entfernten Dorfe nach
GUTTMANN hat das Hydracetin auch in zwei Fällen von
Buczacz gebracht wurde, war sie auch sofort am 29. Juli 1887
Psoriasis in einer 10perzentigen Salbe angewendet. In dem einen
Falle, wo die Affektion erst seit fünf Tagen bestand, bewirkte eine
operirt. Von einer anderen Operationsmethode war auch gar kein«
tägliche Einreibung nach sieben Tagen vollständige Heilung von
Rede, als nur von einer Enterektomie (Resektion), denn eine seit
zehn Tagen herausgefallene Dünndarmschlinge konnte wegen ihrer
der Psoriasis des Rückens; in dem zweiten Falle war ebenfalls die
enormen Grösse. wegen des grossen Entzündungsgrades schon nicht
Wirkung auf den von Psoriasis befallenen rechten Arm des Patenten
mehr reponirt werden und fehlte es auch an Hautmaterial, um
eine günstige, und bis jetzt ist kein Rezidiv eingetreten.
disselbe zu bedecken. Deshalb war kein anderer Ausweg da, als
Auch in zwei Fällen von Ischias kam das Hydracetin zur
nur in diesem höchst seltenen und so stark vernachlässigten Falle
Anwendung. In dem einen Falle bestand die Ischias erst xxx
Zeit; es war heftiger Schmerz am Kreuz und an der hinteren
eine neue Indikation zu Enterektomie aufzustellen und
Fläche des rechten Oberschenkels vorhanden. Nach einer Dosis
eine cirkuläre Darmresektion zu versuchen. Nachdem der Bruch
von 5 Centigramm trat alsbald ein Nachlass der Schmerzen bis
sack durchgeschnitten und die Gedärme sammt dem enorm er
nahezu zur völligen Schmerzlosigkeit ein, die stundenlang anhielt
weiterten Bruchringe entblösst wurden, bemerkte Dr. ObtULowICz
dann stellte sieh der Schmerz wieder ein. Eine demnächst ieder-
dass an dem zuführenden Darmende ein frischer Entzündungsstreifen
holte Dosis von 5 Centigramm liess die gleiche günstige Wirkung
sichtbar sei, welcher weit oben sich verlor. An dem anderen
Darmzweige war in Entfernung von 12 ctm von der Bruchsack
folgen, und ebenso in einem zweiten Falle.
Es fragt sich nun, ob man das Mittel als therepeutisch stets
öffnung die Serosa ganz normal. Da noch das zuführende Darm
rohr durch alte Adhäsionen an andere Darmschlingen angelöthet
anwendbar empfehlen kann. In Betreff der äusserlichen Anwendung
desselben ist die Frage unbedenklich zu bejahen; innerlich ist es
erschien, so musste sich der Operateur mit diesem wenig günstiger
mit Vorsicht und nicht fortdauernd zu gebrauchen. In drei Fällen
Resultate begnügen und im Voraus darauf vorbereitet sein, dass
nämlich, wo die Kranken bei multiplem Gelenkrheumatismus pro die
vielleicht die durchgeschnittenen Darmenden nicht so leicht und
präcis zusammengenäht werden, wie es eben wünschenswerth wäre
20 Centigramm — einigemal sogar 30 Centigramm — bekamen,
beobachtete GUTTMANN Blässe des Gesichtes, die freilich bald wieder
Dr. O à TUL0WICz resecirte eine 69 ctm lange Darmschlinge und
verschwand, aber auf Grund der experimentellen Ergebnisse auf
versuchte eine cirkuläre Darmnaht nach der Methode CZER�Y
die Blutdissolution, welche das Hydracetin hervorruft, zurückgeführt
WÖLFLER anzulegen. Obenauf vernähte er die Darmenden mittelst
werden muss. Bei seiner. Anwendung sind daher folgende Vorsichts
einer zweiten Nahtserie nach LAMBERT; an dem 4/4 ctm breiter
Entzündungsstreifen jedoch, durchschnitten alle mit feiner Seide
massregeln zu empfehlen
1. Das Hydracetin soll nicht in grösseren Dosen verabreich
(Nr. 1) angebrachten Nähte, so dass nur halbwegs mit karbolisirter
werden als 1 Centigramm p'o die, und zwar, wenn man bei hoel
Seide Nr. 2 diese Darmstelle zusammengeheftet werden konnte
fiebernden Kranken Wirkung erzielen will, einfach auf einmal als
Dieser grossen Darmschlinge entsprechend war auch ein dreieckiges
einzige Tagesdosis oder auf zwei Dosen vertheilt, die in einstündigen
„grosses Gekrösestück mittelst Pacquelin abgetrennt und dann mittels
Zwischenräufnen verabreicht werden. — Bei multiplem akuten Ge-
Kürschnernaht beiderseits vernäht. Die Operation dauerte 2½ Stunden
lenkrheumatismus soll man diese Dosen von 10 Centigramm zweck-
mässig auf zwei von je 5 Centigramm vertheilen, von denen die zur Narkose verbrauchte man O02 Morphium hydrochloricum sub¬
kutan und 50 Gramm Chloroform; zur Desinfektion des Opera¬
eine am Vor-, die andere am Nachmittag verabfölgt wird,
tionsfeldes 1%o Sublimat, zum Durchspritzen des Bruchsackes
2. Die Dosis von 10 Centigramm pro die soll nicht länger als
warmer 1%/00 Thymol, zum Reinigen der durchgeschnittenen Darm¬
enden und des Mesenteriums Sublimatwatta - Bäuschchen, end
drei Tage hintereinander verabfolgt, dann ausgesetzt und erst später
lich Jodoform-Verband und zwei Drainageröhren. Nach der Operation
wieder in Zwischenräumen gegeben werden.
alle drei Stunden zu 0'03 Laudanum, Eispillen, Milch, Wein, Suppe,
Bei dieser Rosirung ist man sicher, dass keine Nebenwirkung
löffelweise. In der Nacht vom 29. auf 30. Juli dreimaliges Er
auftritt und ebenso sicher, dass die antipyretische Wirkung bei
brechen, von Zeit zur Zeit momentaner Singultus, am 30. Juli
Hochfiebernden und die schmerzlindernde bei Gelenkrheumatismus,
Temp. 37-3, Puls 88, Abends 38-5, Puls 112. Am dritten Tage
sowie bei Neuralgie erreicht wird.
38-3-38 5, Puls 108—116. Die Wunde erscheint sehr gut ver-
(Deutsche Medizinal-Zeitung Nr. 37, 1889.)