A62: Medizinische Schriften, Seite 117

Internationale Klinische Rundschau.
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Bauchfellsack injizirt, das Thier nach drei Tagen getödtet, während
Im sechsten Kapitel wird die Eintheilung der Hypnose, welche
ein anderes, welche dieselbe Menge in den Magen bekam, gesund
die Schule der Salpetrière macht, nämlich die in drei Stadier einer
blieb. Die Autopsie von fünf an dieser Substanz zu Grunde ge¬
Kritik unterzogen, welcher man Klarheit und die Kraft zu über-
gangenen Thieren hat nun genau das gleiche anatomische und
zeugen, gewiss nicht absprechen wird. Die Bemerkungen über
histologische Bild ergeben: Die Organe — besonders deutlich die
den Transfert, die Automatie und über das hallucinatorische Bild
Niere, Leber, Milz und Lunge — sind braunroth mit einem Stich
bilden vielleicht den bedeutendsten Abschnitt des Buches.
in’s Olivengrüne gefärbt, ebenso ist das Blut im Herzen und in
Die These, welche BERNHEIM aufstellt und die er an der
der Vena cava etwas verfärbt; in der Harnblase fand sich eine
Hand geistvoll erdachter Versuche zu beweisen sich anschickt, ist
schmutzig braune Flüssigkeit, in der sich Blutfarbstoff als Bestand
in Hinsicht auf das ballucinatorische Bild die folgende: «Das sug
theil nachweisen liess; rothe Blutkörperchen fanden sich in der
gerirte Bild beträgt sich nicht wie ein wirkliches, dieuggerirten
Flüssigkeit der Harnblase nicht. Bei histologischen Schnitten durch
Farben mischen sich nicht miteinander, wie es verschiedenfärbige
Nieren und Leber fand man in den Gefässen und Harnkanälchen
Strahlen, welche die Netzhaut passiren, thun müssen. Und wenn
braunen Detritus, offenbar Zerfallsprodukte von rothen Blutkörper
diese Mischung eintritt, so vollzieht sie sich im Widerspruch mit
chen. Dieselbe Wirkung fand man bei direkter Einwirkung des
den Gesetzen der Optik, nach dem freien Spiel der Phantasie der
Hydracetin auf das Blut. Diesen Effekt mit seinen deletären Folgen
Hypnotisirten».
verdankt diese Substanz ihrer stark Sauerstoff absorbirenden redu
Wir müssen uns damit begnügen, nur in Kürze noch einzelne
zirenden Wirkung.
Partien des Werkes zu erwähnen, so die über verbrecherische
Die Versuche an Kranken zeigen, dass das Hydracetin schon
Suggestionen und über rückwirkende Hallucinationen.
in verhältnissmässig kleinen Dosen eine stark antipyretische Wirkung
übt. Die Versuche wurden an 18 hochfiebernden Kranken angestellt
Der zweite Theil behandelt die Heilwirkung der Augustion,
und zwar in acht Fällen von Abdomi.i.altyphus, in drei Fälien von
und nachdem in einem ersten Kapitel, das füglich als Einleitung
Phthisis pulmonum, in zwei Fällen von Skarlatina und in je einem
gelten könnte, Ansichten und Erfahrungen über die Heilkraft der
Falle von Erisypelas, akuter Miliartuberkulose und Septichämie. Die
Phantasie vorgetragen, die Magnetotherapie, die Wunderheilungen
Dosirung des Hydracetin in diesen Fällen varrirte zwischen 5 bis
von Lourdes und ähnliche merkwürdige und therepeutische
20 Centigramm pro die, nur bei einzelnen Versuchen wurde bis
Effekte in ihren Beziehungen zur Augustion erläutert werden,
zu 30 Centigramm gegeben. In den meisten Fällen war die Rosirung
bringt ein zweites eine grosse Anzahl von Krankengeschichten.
10 bis 15 Centigramm pro die. Die Versuche wurden zu derjenigen
in welchen sich der mächtige, nicht mehr anzuzweifelnde Erfolg
Tageszeit angestellt, in der bekanntlich bei hochfiebernden Kranken
der suggestiven Heilmethode erwiesen. BERNHEIM führt uns da
die Temperatur niemals von selbst sinkt, zwischen.O bis 12 Uhr
Fälle von Hysterie, Neurosen, dynamischen Lähmungen, Affektionen
Vormittags. Bei den ersten Versuchen wurde halbstündlich im
des Magendarmkanales, Schmerzen, rheumatischen Affektionen,
Rektum gemessen, später, als die Wirkung des Mittels genügend
Neuralgien, Menstruations-Anomalien, Neuropathien, ja selbst von
bekannt war, stündlich in der Achselhöhle und diese Messungen
organischen Erkrankungen des Nervensystems vor, in denen durch
wurden bis zum späten Abend fortgesetzt. Es hat sich nun gezeigt,
hypnotische Augustion (oder Augustion allein) der Zustand der
dass, wenn man 10 bis 15 Centigramm Hydracetin und zwar
Leidenden günstig, ja manchmal überraschend günsstig beeinflusst
10 Centigramm als erste Dosis und 5 Centigramm später gibt, die
wird. — Wir wiederholen es: Dieses Buch muss gelesen werden;
Ten es ist das Brevier des Hypnotismus, und selbst über jene Lippen,
Stunde beginnend, bis sie nach 2, resp. nach 21/2 Stunden ihr
die sonst das skeptische Lächeln umspielt, wird wohl ein Wort der
Anerkennung für das ausgezeichnete Werk dringen, mit dem der
Forscher von Nancy die ärztliche Welt beschenkt hat.
Dr. FREUD, der das Buch in ganz mustergiltiger Weise in’s
Deutsche übertragen, hat sich damit ein besonderes Verdienst für
die Sache erworben, die er auch in einem trefflichen Vorwort
persönlich =zu vertreten weiss.
Dr. Arthur Schnitzler.
Zeitungsschau.
Ueber Hydracetin.
Von Dr. P. Guttmann in Berlin.
RIEDEL’s «Hydracetin» stellt in seiner chemischen Zusammen¬
setzung Acetyiphenyltydracin dar und war in England schon gegen
Ende vorigen Jahres unter dem Namen «Pyrodin» aber nicht als
stark antipyretisch bekannt. Nach späteren Mittheilungen wäre das¬
selbe kein reines Präparat, sondern ein Gemenge verschiedener
Substanzen. in welchen das Acetylphenylhydracin allein wirksam
ist. Die Substanz bildet ein krystallinisches weisses, geruch- und
fast geschmackloses Pulver, im Wasser schwer (1 : 50), im Wein
geist leicht löslich. Versuche an Thieren ergaben schon in ver-
hältnissmässig kleinen Mengen taxische Wirkungen. Kaninchen
denen ½ Gramm in Wasser gelöst in den Magen gebracht oder
in den Peritonealsack injizirt wurde, gingen schon nach einem
Tage zu Grunde. Ja selbst ¼ Gramm hat in einem Falle, in der
trat in das Stiegenhaus, 'und als sie sich umwandte und ihn erblickte,
wollte sie ihm entgegen -... - Einige Schritte weit von Ihm entfernt
wandte sie sich wieder weg und eilte, so rasch sie konnte, die Stiegen
hinunter.... Nach fünf Minuten kam sie wieder, suchte den Arzt und
verlangte aufgeregt und gebieterisch nach dem Veilchenbouquet...
Noch die nächsten Tage wirkte diese Augustion nach; sie verlangte immer
Veilchen ; endlich erschien sie eines Morgens mit einem Veilchenbouquet
an der Brust.
tiefstes Niveau erreicht hat. Die Temperatur sinkt nach diesen
Dosen meist um 1½ bis 2° C., in einzelnen Fällen bis 3° C. und
selbst darüber. Nachdem das tiefste Niveau erreicht ist, erhält sich
die Temperatur auf diesem nur ganz kurze Zeit und geht sodann
mässig rasch in die Höhe, so dass etwa nach 3 bis 4, spätestens
nach 5 Stunden wieder dieselbe Temperatur erreicht ist, welche
vor Anwendung des Mittels bestanden hatte. Nahezu gleich in
Bezug auf Stärke und Raschheit des Effekts wirken auch Dosen
von 15 Centigramm, die in einzelnen Dosen von 5 Centigramm
getheilt werden mit Zwischenräumen von je einer Stunde und ähn
lich stark wirkt eine einzelne Dosis von nur 10 Centigramm. Man
ist also im Stande, mit 10 bis 15 Centigramm Hydracetin etwa
5 bis 6 Stunden und darüber die Temperatur niedriger zu halten
als sie vor der Verwendung des Mittels war. Das Sinken der
Temperatur erfolgt in den meisten Fällen unter einer mehr oder
minder starken Schweisssekretion — eine Erfahrung, die bekanntlich
bei allen starken antipyretischen Mitteln wiederkehrt. Nachdem das
tiefste Niveau erreicht ist, hört die Schweisssekretion auf. Gleich¬
zeitig mit dem Sinken der Temperatur erfolgt auch ein Sinten der
Pulsfrequenz und der Respirationsfrequenz, soweit-dieselbe nur ab¬
hängig von den Erhöhungen der Temperatur wär. Einen Einfluss
auf den Verlauf der Krankheit hat das Hydracetin natürlich eben-
sowenig wie irgend ein anderes antipyretisches Mittel, dennoch sind
diese Mittel erfahrungsgemäss zur Bekämpfung der vom Fieber ab¬
hängigen Symptome im Gebrauch alltäglich.
GUTTMANN hat das Mittel auch in acht Fällen von typischen
beziehungsweise schweren Fällen des multiplen akuten Gelenk
rheumatismus angewendet. Schon eine Dosis von 10 Centigramm
reicht aus, um den Schmerz zu mildern; diese Milderung tritt
½—1 Stunde nach der Darreichung ein — in einzelnen Fällen
auch erst in 2 Stunden und hält stundenlang an. In anderen Fällen
wurde das Hydracetin in Dosen von 20 und einigemal von 30 Centi¬
gramm pro die, und zwar stets in getheilten Dosen gegeben. Man