A62: Medizinische Schriften, Seite 135

Missbrauche ihrer Lehren geführt hat; abgesehen davon
dass das Ansehen des ärztlichen Standes wiederhol
die trügerischen Hoffnungen, welche auf solche
durch d
gt wurden, auf das Tiefste erschüttert
Art ang
en ist.
Vollständig verwerflich aber ist das leider sehr
übliche Verfahren, Dingen von blos specialistischer
Bedeutung ein allgemeines Interesse zu vindiciren
um sie unter diesem Vorwand zu Reclamezwecken vor
die Oeffentlichkeit zu bringen, oder auch nur zu dulden,
dass solches geschehe. So erscheinen häufig in den
Tagesjournalen Berichte über medicinische Vorträge,
abgegebene Gutachten, Erfindungen, Operationen, De¬
monstrationen und ähnliche, zwischen deren Zeilen
man deutlich die Absicht lesen kann, die Person des
angeblichen Forschers oder Heilkünstlers mit dem
Nimbus der Wissensehaftlichkeit oder besonderer prak
tischer Tüchtigkeit zu umgeben.
c) Daran schliesst sich jene eigenthümliche Art
medicinischer Reclame-literatur, welche in der popu¬
lären Behandlung eines Capitels der Therapie oder i
der Anpreisung einer meist von dem Verfasser selbst
herrührenden oder ausgeübten Heilmethode besteht
Genau dasselbe gilt von den Heilmitteln, auf
denen der Name eines ärztlichen Erfinders angemerkt
wird:
«) Ein sehr beliebtes hiehergehörendes Reclame
mittel ist auch der öffentliche Dank, oder die rüh¬
mende Anerkennung von Seiten behandelter patienten
oder ihrer Angehörigen. Es ist nicht nur verwerflich,
bei einem Laien Dankschreiben zu bestellen, sowie von
diesem spontan verfasste selbst zu veröffentlichen
sondern es ist Pflicht, den Kranken von einer derartigen
Publication abzuhalten.
ad Oas Feilbieten ärztlicher Hilfe.
«) Das Inseriren in Tagesblättern ist
ein des ärztlichen Standes unwürdiges
Verhalten. Dieser Satz beansprucht die allge¬
meinste Geltung. Ein Inserat ist nicht erst dann un¬
statthaft, wenn es durch seinen Inhalt öffentliches
Aergernis erregt oder durch Aufzählung schönV klin-
gender, meist aber nichtssagender Titel oder durch
Versprechungen, welche zu halten unmöglich ist, die
Moral und das Ansehen des Standes schädigt, sondern
berhaupt die Namen von Aerz-
es haben ii
Im Inseratentheile der Tages-
tenau
journale zu verschwinden, sie mögen darin
welchem Vorwande immer figuriren
b) Von diesem Standpunkte aus ist auch das
marktschreierische Annonciren von Heilanstalten in
nicht medicinischen Journalen mit Angabe ihres ärzt-
lichen Inhabers oder Leiters zu verbieten, denn es
darf durch derartige Ankündigungen nicht dem kranken
Laien die Wahl einer Anstalt nahegelegt werden
sondern es muss die Sache eines primär consultirter
praktischen Arztes sein, zu entscheiden, ob eine An¬
staltsbehandlung überhaupt nöthig sei und ist erst
im Bejahungsfalle das geeignete Institut ausfindig
zu machen. Es ist aber nichts dagegen einzuwenden,
wenn sich Privat-Heilinstitute, sei es durch Annon
cirung in den Fachzeitungen oder durch Versendung
von Prospecten u. s. w. an das ärztliche Publicum
wenden und zu ihrer Empfehlung respective Benützung
auffordern.
c) Die an das Publicum gerichteten Aufforderungen
auf dem Wege von in Hôtels und an anderen öffent
lichen Orten angebrachten Blocks, von Placatirungen
ebenso wie von in die Häuser gesandten Briefen und
Karten sind natürlich als womöglich noch unwürdigere
Hilfsmittel zur Erlangung einer ärztlichen Praxis an¬
zusehen.
d) Mündlich kann die ärztliche Hilfe entweder
von dem Arzte selbst, z. B. auf Bahnhöfen oder mit
Zuhilfenahme dritter Personen, als da sind : Hôtelbe
dienstete, Krankenhausportiere, Commissionäre und
andere in öffentlichen Diensten stehende Personen
feilgeboten werden. Alle diese Verfahren sind standes-
widrig.
Im höchsten Grade unwürdig und
standeswidrig sind alle die genannten
Formen der Reclame, wenn es sich hiebei um die
an sogenannten „geheimen“ Krankheiten Leidenden
handelt.
Wiener Aerztekammer.
G.-Z. si6 ex 1895.
Kundmachung.
Die Wiener Aerztekammer hat zur Hintanhaltung der das Ansehen und die Würde des
ärztlichen Standes schädigenden Reclame in der Kammerversammlung vom 18. April 1895 auf
Grund des beiliegenden Comitéberichtes folgende Beschlüsse gefasst
Eines des ärztlichen Standes unwürdigen Verhaltens im Sinne des § 12 K.-G., al. 5*9,
macht sich ein Arzt schuldig,
1. welcher sich in Zeitungen (mit Ausnahme der ärztlichen), Placaten, Reisehandbüchern,
Fremdenführern, Wegweisern, Kalendern (mit Ausnahme der ärztlichen), Flugblättern, Circulären,
Hôtelblocks und ähnlichen Druckwerken ankündigt, oder die Ankündigung gestattet, ober
dieselbe nicht verhindert, wenn für ihn die Möglichkeit hiezu vorhanden war.
Ausgenommen sind ein- bis höchstens dreimalige Anzeigen in Tagesblättern und die
einmalige Versendung von Circulären über erfolgte Niederlassung, bei Rückkehr nach längerer
Abwesenheit und bei Wohnungswechsel, woferne diesen Anzeigen nicht mehr als Name, aka-
demischer Grad, legale ärztliche Titel, Bezeichnung des wissenschaftlich abgegrenzten Special-
faches, Adresse und Ordinationszeit hinzugefügt wird
2. welcher die Veröffentlichung von Dank- oder Anerkennungsschreiben, seitens einer
von ihm behandelten Person oder deren Vertreter bestellt oder veranlasst, oder es unterlässt,
die Veröffentlichung solcher Erklärungen zu verhindern, wenn für ihn die Möglichkeit hiezu vor-
handen war;
3. welcher in populären Abhandlungen oder Vorträgen seine persönliche ärztliche Hilf-
leistung oder ein seinen Namen tragendes Medicament oder Heilverfahren im augenscheinlichen
Gegensätze zu anderen Aerzten oder anderen Medicamenten oder Heil methoden direct oder
indirect empfiehlt oder anbietet;
4. welcher Hebammen, ferner Agenten, Hôtelbedienstete, Commissionäre, Hausbesorger
oder andere Personen für die Zuweisung von Patenten entlohnt;
5. welcher durch Anbringung von marktschreierischen Firmatafeln oder vermöge des
Ortes, wo sie angebracht werden, die Aufmerksamkeit des Publicums auf sich lenkt;
6. welcher eine von ihm geleitete oder ilm gehörige ärztliche Anstalt oder ein solches
Institut in marktschreierischer Weise ankündigt.
Diese Bestimmungen treten mit dem Tage ihrer Verlautbarung in Kraft.
Die Ausserachtlassung derselben wird nach § 12, al. 5, des Kammergesetzes vom 22. De¬
cember 1891 ehrenräthlich behandelt.
Wien, 1. Juni 1895.
Das Präsidium der Wiener Aerztekammer
Dr. Josef Heim
Präsident.
*) § 12 K.-G. lautet? Der Kammervorstand fungirt zugleich als Ehrenrath in Fällen von persönlichen Streitig¬
keiten, Beschwerden und Anklagen der in der Kammer vertretenen Aerzte unter oder gegen einander in allen, der
Competenz der zuständigen Behörden nicht unterliegenden Angelegenheiten.
Demselben obliegt als solchem auch das vermittelnde Einschreiten bei Irrungen und Streitigkeiten zwischen
Aerzten des Sprengels in Beziehung auf die Ausübung ihres Berufes.
Die Aerzte sind verbunden, vor Betretung des Beschwerdeweges die Vermittlung der Kammer anzurufen.
Zur Beschlussfassung als Ehrenrath ist die Anwesenheit von mindestens drei Vierteln der Mitgliedern des
Kammervorstandes und eine Majorität von zwei Dritteln der Anwesenden erforderlich.
Dieser Ehrenrath ist befugt, gegen in der Kammer vertretene Aerzte, welche sich eines des ärztlichen Standes
unwürdigen Verhaltens schuldig gemacht, oder ihre Pflichten als Angehörige der Aerztekammer verletzt haben, nach
Sicherstellung des Thatbestandes durch ordnungsmäßige Erhebung mit Erinnerungen, Verwarnungen im Wiederholungs¬
falle mit Rügen, und bei erheblichen Unzukömmlichkeiten nach Maßgabe der Geschäftsordnung mit Ordnungsstrafen
in Form von Geldbußen bis 200 fl., endlich mit der Entziehung des passiven oder activen Wahlrechtes in die Kammer
auf Zeit oder dauernd vorzugehen.
Dem Beschuldigten ist vor Fällung des Ausspruches Gelegenheit zur Rechtfertigung zu geben und steht dem¬
selben gegen die Ertheilung einer Rüge, Geldstrafe oder die Entziehung des Wahlrechtes der Recurs an die politische
Landesbehörde zur endgiltigen Entscheidung zu.
Die durch Geldbußen eingehenden Beträge fliessen in die Casse der Aerztekammer.