A62: Medizinische Schriften, Seite 134

Ich schrieb geraume Zeit diesen Umstand hauptsächlich der
geringen Anstrengung der Beschäftigten zu, bemerkte aber später,
dass Personen, die angeblich herzkrank waren, namentlich aber
solche, die schwindsüchtig und tuberculos aussahen und selbst am
Bluthusten Leidende in diesen Räumen in kurzer Zeit merkliche
Erleichterungen empfanden, indem die Brustschmerzen und Athem-
beklemmungen geringer wurden, der Husten nachliess, der Auswurf
leichter und ohne grössere Anstrengung beseitigt werden konnte,
kurz, dass der Gesundheitszustand der Betreffenden Fortschritte
machte, dieselben ein besseres Aussehen erlangten und an Gewicht
zunahmen; auch zeigten sich diese günstigen Erscheinungen.selbs
bei solchen männlichen und weiblichen Arbeitern jedes Alters, bei
welchen erwähntes Leiden auch schon von dem Laien erkannt und
daher als ein weit vorgeschrittenes bezeichnet werden musste. Der
Zustand solcher Leute verschlimmerte sich aber wieder, wenn die¬
selben in anderen Räumen, wenn auch bei leichteren Arbeiten
verwendet wurden oder sich selbst zuhause schonen wollten, um
sich neuerdings zu bessern, sobald sie wieder in den erwähnten
galvanischen Ateliers beschäftigt waren. Es drängte sich mir nunmehr
die Vermuthung auf, die sich bis zur Ueberzeugung steigerte, dass
dies kein Zufall war, sondern dass es die sich stets in solchen
Räumen entwickelnde Blausäure sein konnte, welche die heilsame
Wirkung auf die kranke Lunge und in Folge dessen auf den
ganzen Organismus ausübte.
In solch grösseren Ateliers werden in Cyancalium gelöst
Cyanmetalle als Bäder in stark verdünntem Zustande in beträchtlichen
Mengen verwendet, die stets einen merklichen Ueberschuss von
Cyankalium enthalten müssen, um ordentlich zu functioniren und
wird bekanntlich letzteres durch die Kohlensäure der Luft bei An
wesenheit von Feuchtigkeit derart zerlegt, dass sich Pottasche
bildet, welche in der Flüssigkeit gelöst bleibt, während Blausäure
entweicht. Es ist daher ganz begreiflich, dass in solchen Räumen,
namentlich wo eine grössere Anzahl solcher Bäder vorhanden, ein
ziemlich intensiver Geruch nach Blauäure bemerkbar ist, und ich
schreibe die erwähnten Erscheinungen der Einwirkung der mit Blau
säure geschwängerten Luft zu, welche die wohlthätige Einwirkung aut
die Respirations-Organe der erkrankten Individuen zu Folge hatte
Wenngleich die Blausäure bei verschiedenen Krankheiten und vielleich
;auch bei solchen der Lunge schon als Medikament versucht une
angewendet wurde, so glaube ich, dass gerade die Einathmung
dieses Gases viel rascher und mit besserem Erfolge günstig auf die
Athmungsorgane einwirkt.
Die Befürchtung, dass ein so heftiges Gift, wie die Cyanwasser
stoffsäure und zwar in der angedeuteten Weise anhaltend dem mensch¬
Wiener Aerztekammer.
Bericht
des Comités zum Studium des ärztlichen Reclamewesens.
Jede ärztliche Reclame ist verboten und wird nach § 12, al. 1 K.-G. ehrenräthlich behandelt.
Unter ärztlicher Reclame ist jede Massnahme von
Seiten eines Angehörigen des ärztlichen Standes zu
verstehen, welche den Zweck verräth, die Aufmerk
samkeit des Laienpublicums auf seine Person zu lenken
und es zur Inanspruchnahme seiner persönlichen Hilfe
oder einer von ihm zu Erwerbszwecken veranstalteten
Unternehmung zu veranlassen.
Es kann dies durch Veranstaltungen bewerkstelligt
werden, welche dem Namen des Betreffenden ein
möglichst grosse Verbreitung zu verschaffen suchen
ferner durch solche, welche seine Person mit den
Scheine einer besonderen praktischen oder wissen
schaftlichen Befähigung umgeben sollen, und endlich
durch directes öffentliches oder geheimes Anbot seine
Dienste.
Daraus ergibt sich folgende Eintheilung:
A) Blosse Publication des Namens eventuell mit
Angabe der Wohnung und Ordinationszeit.
B) Die versteckte Reclame, welche darin besteht,
dass scheinbar ohne Hinzuthun des Betreffenden Nach
richten über seine praktischen oder wissenschaftlicher
Erfolge im Publicum verbreitet werden.
C) Oeffentliche Bekanntmachungen, in welchen der
Arzt ohne weiteren Zusatz oder unter Anpreisung seiner
eigenen Fähigkeiten beziehungsweise der Trefflichkeit
seiner Veranstaltungen oder unter Versicherung einer
ausnahmsweisen niedrigen Honorarforderung oder in
einer den Anstand verletzenden Weise das Publicum
auffordert, sich an ihn zu wenden.
ad 4) Blosse Publication des Namens.
«) Es ist nicht als eine Reclame aufzufassen,
wenn nach erfolgter Niederlassung oder Wohnungs¬
änderung oder nach längerer Abwesenheit ein Arzt
einmal oder in den beiden ersten der genannten Fälle
auch zwei- bis dreimal seinen ständigen Wohnort und
die Zeit seiner Ordination und eventuell seines Special
faches dem Publicum durch Veröffentlichung in einem
gesjournale bekannt gibt.
b) Eine Veröffentlichung der hier in Betracht
kommenden Art soll auch in der Form alles Markt
schreierische meiden und wenn möglich nur im Text
theile von Tagesjournalen erfolgen. Grosse auffallende
Annoncen, wie sie hie und da zu diesem Zwecke be
nützt werden, ferner Placatirungen, an öffentlichen
Orten angebrachte Blocks und Flugblätter sind un
statthaft.
c) Eine besondere Kategorie bilden die von Reclame-
unternehmungen veranstalteten Collectiv-Anzeigen
welche unter dem Titel „renommirte“ oder „e m-
pfehlenswerte“ Aerzte gegen Bezahlung in
Fremdenführern.Eisenbahncourieren, Familienkalendern
eine Liste von Medicinalpersonen bringen und dem
Publicum zur Consultation empfehlen. Eine solche
Veröffentlichung kommt einem Inserate gleich.
ad B) Die versteckte Reclame.
a) Die Mittel, sich auf indirectem Wege, nämlich
nicht durch einfache Anpreisung, den Ruf eines sehr
befähigten Arztes zu verschaffen, sind sehr mannig
faltig. Man kann es als einen Grundsatz aussprechen
dass jede Verständigung des grossen Laienpublicums
über Grossthaten auf dem Gebiete der wissenschaft-
lichen und praktischen Medicin bis auf das Unver
meidliche einzuschränken sei, weil die Erfahrung ge¬
lehrt hat, dass die Popularisirung der Medicin nicht
wie diejenige anderer Wissenschaften zur Hebung der
Allgemeinbildung. sondern nur zum weitestgehenden