A98: Komtesse Mizzi oder: Der Familientag, Seite 34

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Sie ist ja dieses zurückgezogene, stille Leben so lange
Zeit gewohnt.
Graf. Ja. Und es ist doch auch ihr Geschmack.
Und dann, bis vor ein paar Jahren ist sie doch ziemlich
viel in die Welt gegangen. Unter uns, Egon, noch vor
drei Jahren, noch vor zwei, hab' ich fest geglaubt, sie
wird sich doch entschließen.
Fürst. Entschließen? Ach so.
Graf. Wenn du eine Ahnung hättest, was für
Leut’ sich noch in der allerletzten Zeit sehr lebhaft für sie
interessiert haben."
Fürst. Das ist sehr begreiflich.
Graf. Aber sie will nicht. Sie will absolut nichtt.
Also ich mein' damit nur, so gar so allein kann sie sich
doch nicht gefühlt haben
sonst hätt' sie doch, wo es
ihi an Gelegenheit nicht gefehlt hat.
Fürst. Selbstverständlich. Es ist ja ihre freie
Wahl. Und dann hat ja die Mizzi noch diese andere
Ressource, daß sie malt. Das ist g'rad’ so wie bei meiner
gottseligen Tant', der Fanni Hohenstein, die Bücher ge
schrieben hat bis in ihr höheres Alter und auch vom
Heiraten hat absolut nichts wissen wollen.
Graf. Ist schon möglich, daß das so mit den
künstlerischen Bestrebungen zusammenhängt. Ich denk'
überhaupt manchmal, ob nicht alle diese Ueberspanntheiten
gewissermaßen psychologisch zusammenhängen.
Fürst. Ueberspanntheiten? Man kann doch nicht
sagen, daß die Mizzi überspannt ist.
Graf. Ja, jetzt hat sich das ganz gegeben. Aber
früher einmal...
Fürst. Ich hab' die Mizzi immer sehr klug und sehr
ruhig gefunden. Wenn jemand Rosen und Veigerln
malt, so muß er doch darum noch lange nicht über¬
spannt sein.
Graf. Na, du wirst mich doch nicht für so dumm
halten, daß ich mein', wegen der Veigerln und Rosen. Aber
als ganz junges Mädel, wenn du dich erinnern kannst....
Fürst. Was denn?
Graf. Na, die Geschichte damals, wie der Fedor
Wangenheim um sie ang'halten hat.
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Fürst. Gott, daran denkst du noch!. Das ist doch
überhaupt nimmer mehr wahr. Das ist ja schon achtzehn
oder zwanzig Jahr her, beinah
Graf. Wie sie damals zu den Ursulinerinnen ge-
wollt hat, lieber als daß sie den netten Burschen zum
Mann nimmt, mit dem sie schon so gut wie verlobt war.
Und auf und davon ist von zu Haus. Das kann man
doch überspannt nennen?
Fürst. Wie kommst du denn heut' auf diese uralte
Geschichte?
Graf. Uralt? Mir ist, wie wenns im vorigen Jahr
g'wesen wär. Es war g'rad um die Zeit, wo meine
G'schicht mit der Lolo ang'sangen hat. Wenn man so
zurückdenkt! Wer mir damals vorausg'sagt hätt! Weißt
du, ang'sangen hat's doch eigentlich wie irgend ein Aben-
teuer. Ganz leichtsinnig und verrückt. Ja, vertrücht. Na,
ich will mich nicht versündigen, aber daß meine
arme Frau damals schon ein paar Jahre tot war,
das war ein Glück für uns alle. Die Lolo,
die war mein Schicksal. Geliebte und Hausfrau
so großartig hat
zugleich. Weils nämlich auch
kochen können. Und diese Behaglichkeit bei ihr. Und
immer gut aufg'legt und nie ein böses Wort.... Na,
aus is. Red'n wir nicht mehr davon. (Pause.)... Aber
sag', bleibst du nicht zum Essen bei uns? Ich werd
übrigens die Mizzi rufen.
Fürst (ihn zurückhaltend). Lass’, ich hab' dir noch
'was zu sagen. (Leicht, wie humoristisch.) Ich muß dich
auf etwas vorbereiten.
Graf. Wie? Auf was denn?
Fürst. Ich führ' dir nämlich heut' einen jungen
Herrn auf.
Graf (befremdet). Wie, einen jungen Herrn?
Fürst. Ja, wenn du nichts dagegen hast.
Graf. Was soll ich denn dagegen haben? Aber
wer ist es denn?
Fürst. Mein Sohn, lieber Arpad.
Graf (höchst erstaunt). Wie?
Fürst. Ja, mein Sohn. Ich wollte doch nicht,
eh' ich wegreise.