A98: Komtesse Mizzi oder: Der Familientag, Seite 38

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Fürst. Laune...? Nein. Um es so bezeichnen
zu dürfen, führen Sie die Sache allerdings zu konsequent
durch. Wenn man bedenkt, daß Sie es all die Jahre
hindurch über sich gebracht haben, nicht einmal nach ihm
zu fragen...
Komtesse. Das ist weiter nicht bewunderswert.
Ich habe Schwereres über mich gebracht. Damals, wie ich
ihn hab' hergeben müssen, acht Tage nachdem er zur
Welt gekommen ist.
Fürst. Ja, damals blied Ihnen, blieb uns doch
nichts andres übrig. Was ich damals verfügt habe, und
womit Sie sich doch auch am Ende einverstanden erklärt
haben, das war entschieden das Klügste, was wir in un¬
serer Situation tun konnten.
Komtesse. Klug, das hab' ich nie bezweifelt.
Fürst. Und nicht nur klug, Mizzi. Sie wissen, es
handelte sich nicht um unser Schicksal allein. Andre
wären vielleicht zu Grunde gegangen, wenn damals die
Wahrheit ans Licht gekommen wäre. Meine Frau mit
ihrem leidenden Herzen hätte es kaum überlebt.
Komtesse. Dieses leidende Herz.
Fürst. Und Ihr Vater, Mizzi.... Ihr, Vater!
Komtesse. Er hätte sich drein gefunden, da
können Sie sich drauf verlassen. Damals hat ja gerade
die Geschichte mit Lolo angefangen. Sonst wär' die Sache
auch nicht so glatt gegangen. Sonst hätt' er sich ein
bißchen mehr um mich gekummert. Ich hätt' nicht monate-
lang fortbleiben können, wenn's ihm nicht g’rad sehr be-
quem gewesen wäre. Gefährlich an der ganzen Sache war
nur eins: daß der Fedor Wangenheim Sie möglicher¬
weise totgeschossen hätte, lieber Fürst.
Fürst. Er mich? Es hätte sich auch anders fügen
können. Oder glauben Sie an ein Gottesurteil? Dann
wäre übrigens der Ausgang auch noch fraglich gewesen.
Denn wir armen Sterblichen können ja nie wissen, wie
der da droben über so eine Sache denkt.
Komtesse. Im Herrenhaus würden Sie anders
reden, wenn Sie dort je den Mund auftäten.
Fürst. Aber das Wesentliche ist dach, daß uns alle
Ehrlichkeit und Kühnheit nicht das Geringste geholfen
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hätte. Es wäre eine nutzlose Grausamkeit gewesen gegen
Menschen, die uns nahestanden. Ein Dispens wär' kaum zu
erlangen gewesen — und nebstbei hätte die Fürstin nie in
die Scheidung gewilligt, das wissen Sie so gut wie ich.
Komtesse. Als wenn mir an der Heirat das Ge¬
ringste gelegen wäre.
Fürst. O..
Komtesse. Nichts. Das ist Ihnen doch nichts
Neues? Ich hab's Ihnen doch damals auch gesagt. Sie
ahnen ja nicht, wie ich damals... (Blick) was
was damals aus mir zu machen gewesen wäre. Ueberall¬
hin wär ich Ihnen gefolgt, überallhin, auch als Ihre
Geliebte. Ich mit unserm Kind. Nach der Schweiz, nach
Amerika. Wir hätten ja schließlich leben können, wo es
uns gepaßt hätte. Und im Herrenhaus hättte man viel¬
leicht nicht einmal gemerkt, daß Sie verreist sind.
Fürst. Ja, natürlich hätten wir fliehen und uns
irgendwo im Ausland ansiedeln können.... Aber daß
Ihnen ein solcher Zustand auf die Dauer angenehm oder
nur erträglich gewesen wäre, das glauben Sie wohl heute
selbst nicht mehr.
Komtesse. Heute, nein. Heutte kenn' ich Sie
nämlich. Aber damals hab' ich Sie geliebt. Und ich hätte
Sie vielleicht — sehr lang lieben können, wenn Sie
damals nicht zu feig gewesen wären, die Verantwortung
zu übernehmen, für das, was geschehen ist... Zu feig,
Egon...
Fürst. Ob das gerade das richtige Wort ist...
Komtesse. Ja. Ich habe kein anderes. An mir
lag es nicht. Ich war bereit, alles auf mich zu nehmen,
mit Freuden, mit Stolz. Ich war bereit, Mutter zu sein
und mich als Mutter unseres Kindes zu bekennen. Sie
haben es gewußt, Egon! Vor siebzehn Jahren in dem
kleinen Haus im Wald, wo Sie mich versteckt gehalten
haben, hab' ich Ihnen gesagt, daß ich dazu bereit bin. Aber
für Halbheiten war ich nie zu haben. Ganz hab' ich
Mutter sein wollen oder gar nicht. An dem Tag, an dem
ich den Buben hab' hergeben müssen, war ich auch ent¬
schlossen, mich überhaupt nicht um ihn zu kümmern.