A98: Komtesse Mizzi oder: Der Familientag, Seite 39

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Darum find' ich es lächerlich, daß Sie ihn plötzlich hieher
bringen wollen. Wenn Sie mir einen guten Rat erlauben,
gehen Sie ihm auch entgegen, wie der Papa der Lolo,
und fahren Sie mit ihm wieder nach Haus.
Fürst. Ich denke nicht daran. Nach allem, was ich
eben von Ihnen wieder habe hören müssen, muß es
wohl dabei bleiben, daß seine Mutter tot ist. Aber um
so mehr muß ich mich seiner annehmen. Er ist mein
Sohn, auch vor der Welt. Ich hab' ihn adoptiert.
Romtesse: Sie haben ihn
Fürst: Er trägt vielleicht morgen schon meinen
Namen. Ich werde ihn vorstellen, wo es mir beliebt.
Natürli, vor allem meinem alten Freund, dem Grafen,
Ihrem Herrn Papa. Wenn es Ihnen unangenehm ist,
den jungen Menschen zu sehen, so wird Ihnen nichts
andres übrig bleiben, als sich für die Dauer seines Be¬
suches auf Ihr Zimmer zurückzuziehen.
Komtesse. Wenn Sie glauben, daß ich diesen
Ton sehr angebracht finde...
Fürst. So wenig wie ich Ihre Verbitterung.
Komtesse. Verbittert? Seh' ich verbittert aus?
Hören Sie... Ich erlaube mir nur, Ihren Einfall ge¬
schmacklos zu finden. Im übrigen bin ich so gut ge¬
launt wie gewöhnlich.
Fürst. Ich zweifle nicht daran. Es ist mir
durchaus nicht unbekannt, daß Sie es längst ver-
standen haben, sich mit Ihrem Schicksal zu versöhnen.
Ich habe es ja auch verstanden, mich in das meine zu
fügen, das vielleicht in seiner Art geradeso schmerzlich
war als das Ihre.
Komtesse. Wie? In was für ein Schicksal mußten
Sie... Es kann doch nicht jeder Minister werden. Ach
so... die Bemerkung bezieht sich am Ende darauf, daß
Durchlaucht mir die Ehre erwiesen haben, mich vor zehn
Jahren, nach dem Tode von dero hochseliger Gemahlin,
um meine Hand zu bitten.
Fürst. Und vor sieben noch einmal, wenn Sie sich
freundlichst erinnern wollen.
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Komtesse. O ja, ich erinnere mich. An meinem
Gedächtnis zu zweifeln, hab' ich Ihnen niemals Anlaß
gegeben.
Fürst. Und ich hoffe, Mizzi, Sie haben mir nie zu¬
gemutet, daß ich die Absicht hatte, mit meiner Werbung
so irgend etwas zu tun, wie eine Schuld zu sühnen. Ich
habe Sie gebeten, meine Frau zu werden, weil ich eben
die Ueberzeugung hatte, daß mir das wahre Glück nur
an Ihrer Seite beschieden sein könnte.
Komtesse. Das wahre Glück!... Sie hätten
geirrt.
sich
Fürst. Das glaub' ich ja selbst, daß ich mich
damals geirrt hätte. Vor zehn Jahren war es wohl noch
zu früh. Vor sieben Jahren vielleicht auch noch. Heute
vielleicht nicht mehr.
Komtesse. Auch heute, lieber Fürst. Es ist Ihr
Verhängnis, daß Sie mich niemals gekannt, nie etwas
von mir gewußt haben. Nicht als ich Sie geliebt, nicht
als ich Sie gehaßt habe und nicht einmal in der langen
Zeit, seit der Sie mir gleichgiltig sind.
Fürst. Ich habe Sie immer gekannt, Mizzi. Ich
weiß mehr von Ihnen, als Sie wahrscheinlich vermuten.
Es ist mir zum Beispiel durchaus nicht unbekannt, daß
Sie diese siebzehn Jahre auch auf Besseres verwandt
haben, als einem Manne nachzuweinen, der damals
vielleicht Ihrer nicht ganz würdig war. Ja, ich weiß
sogar, daß Sie sich darauf kapriziert haben, nach der
Enttäuschung, die Ihnen mit mir begegnet ist, noch
einige andere zu erleben.
Komtesse. Enttäuschungen? Nun, zu Ihrem
Trost kann ich Sie versichern, lieber Fürst, daß auch
recht angenehme darunter waren.
Fürst. Auch das weiß ich. Würd' ich sonst zu be¬
haupten wagen, daß ich die Geschichte Ihres Lebens
wirklich kenne?
Komtesse. Und bilden Sie sich vielleicht ein, ich
kenne das ihre nicht? Wünschen Sie, daß ich Ihnen die Liste
Ihrer Geliebten herzähle? Von der Frau des bul¬
garischen Attachés 1887 bis zu Fräulein Therese Grédun,