A98: Komtesse Mizzi oder: Der Familientag, Seite 40

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wenn sie wirklich so heißt... die zum mindesten dieses
Frühjahr noch in Amt und Würden bei Ihnen stand?
Wahrscheinlich weiß ich sogar mehr als Sie, denn ich
weiß beinahe von jeder, mit wem sie Sie betrogen hat.
Fürst. Davon erzählen Sie mir aber lieber nichts.
Wenn man solche Dinge nicht selbst entdeckt, hat man
keinen rechten Spaß davon.
(Man hört einen Wagen herankommen und stille
halten.
Fürst. Er ist es. Vielleicht wünschen Sie zu ver¬
schwinden, ehe er in den Park tritt. Ich will ihn solange
aufhalten.
Komtesse. Bemühen Sie sich nicht. Es beliebt mir
bleiben. Aber wenn Sie vielleicht glauben, es regt
sich nur das Geringste in mir.... Es ist ein junger
Herr, der meinen Vater besucht. Da ist er ja schon.
Stimme des Bluts? Es muß eine Fabel sein. Ich
merke gar nichts, lieber Fürst.
Philipp (ist rasch durch das Haupttor herein-
getreten. Er ist siebzehn Jahre alt, schlank, hübsch, elegant,
aber nicht gigerlhaft, von liebenswürdiger, etwas knaben-
haster Unverschämtheit; doch nicht ohne Verlegenheit).
Guten Tag (verbeugt sich vor der Komtesse).
Fürst. Guten Morgen, Philipp. Erlauben Sie,
Komtesse, daß ich Ihnen meinen Sohn vorstelle. Das
ist Gräfin Mizzi. Die Tochter meines alten Freundes,
in dessen Haus du dich befindest.
Philipp (nimmt die von der Komtesse gebotene
Hand und küßt sie. Kleine Pause.
Komtesse. Bitte, wollen Sie nicht Platz
nehmen?
Philipp. Danke, Gräfin (alle bleiben stehen)
Fürst. Du bist mit dem Wagen herausgefahren?
Könntest ihn zurückschicken, ich hab ja meinen da.
Philipp. Willst du nicht lieber mit mir zurück-
fahren, Papa? Ich find’ nämlich, der Wasner fährt
besser als dein Franz mit den alten Herrschaftsgäulen.
Komtesse. Sie fahren mit dem Wasner?
Philipp. Ja.
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Komtesse. Mit dem Herrn selbst? Wissen Sie
auch, daß das eine große Ehre ist? Der Wasner, der
fährt nicht mit jedem. Vor zwei Jahren hat er noch den
Papa geführt.
Philipp. Ah.
Fürst. Kommst übrigens ein bissel spät, Philipp.
Philipp. Ja, ich bitt' sehr um Entschuldigung
hab' mich nämlich verschlafen. (Zur Komtesse.)
Ich
Wir waren gestern abends ein paar Kollegen zusammen.
Gräfin wissen vielleicht, daß ich vor vierzehn Tagen
maturiert hab', und da haben wir gestern abends ein
bissel gedraht.
Komtesse. Sie scheinen sich ziemlich rasch in das
Wiener Leben gefunden zu haben, Herr
Fürst. Sagen Sie ihm einfach Philipp, liebe Mizzi.
Komtesse. Bitte, wollen wir uns nicht setzen,
(Blick zum Fürsten) der Papa muß jeden
Philipp
Moment da sein.
Komtesse und Fürst (setzen sich).
Philipp (noch während er stehen bleibt). Also,
wenn ich mir eine Bemerkung erlauben darf, den Park
ich prachtvoll. Er ist bedeutend schöner als unserer.
find
Komtesse. Sie kennen den Ravensteinschen Park?
Philipp. Natürlich, Gräfin. Ich wohn' ja schon
seit drei Tagen im Schloß.
Komtesse. Wie?
Fürst. In der Stadt können sich Gärten eben
so entwickeln, wie da heraußen. Vor hundert
nicht
war unsrer gewiß auch noch viel schöner als
Jahren
heute. Da ist ja auch unser Schloß noch außerhalb der
Stadt gelegen.
Philipp. Schade, daß man den Leuten erlaubt
hat, ihre Häuser so rund herum um unser Schloß zu
bauen.
Komtesse. Wir sind besser d'ran. Daß sich die
Stadt bis zu uns heraus zieht, das werden wir wohl
nicht mehr erleben.
Philipp (liebenswürdig). Aber warum denn,
Gräfin....
Komtesse. Vor hundert Jahren war das alles
noch Jagdgrund. Es grenzt direkt an den Tiergarten.