B17: Brandes, Georg 17 (1) Brandes an Schnitzler, Seite 18

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11. Juli 1906.
Verehrter Freund.
wenn Sie noch
Wenn ich Ihre Karte einigermassen richtig dechiffrire - die Schrift
rätselhaft - so fragen Sie nach meinem Befinden und sagen mir
dass — —
- Jemand mich grüssen lässt.
G.H.F.P.
Ich bin heute aus dem Spital heraus, nur noch sehr, sehr matt, stol-
pere aber umher, um mich ans Gehen wieder zu gewöhnen.
Ich wurde sehr gerührt, dass Sie meiner gedacht hatten. Hoffmannsthal
schickte mir Thor und Tod. Es ist schön und fein, machte mir aber
lange nicht den Eindruck wie die zwei ankisierenden Schauspiele.
Ueber Ihre eigenen Arbeiten kam ich das letzte Mal gar nicht dazu,
mit Ihnen zu reden, wollte es doch sehr gern. Ich komme wohl eines
Tages nach Helsingör und versuche an Ihre Tür zu klopfen. Aber etwas
kräftiger muss ich erst sein.
Vorläufig soll ich arme Sau Empfangsrede an das Allthing halten.
Ihr erge/benef
Georg Brandes
Von deux
Ils Sam Remigie,
l'sma,
Tere.
votre ami.
Verehrter Freund.
Ich möchte Sie einen Tag ein paar Stunden besuchen, wenn Sie noch
in Marienlyst sind. Ich glaube, der beste Zug von hier ist der,
der circa um 6 Uhr in Helsingör ist. Passt Ihnen das? Etwa Samstag?
einer erinnern und Ihr ergebener bereiten, jedes neue Buch,
das Sie hervorbringen, aus Ihren eigen Georg Brandes. halten. Es ist
mir, der ich so viele Bücher bekomme, immer ein Fest, wann eines
von Ihnen anlangt.
Ich habe Ihr Buch auf einer Reise gelesen, langsam und sorgfältig
und mit so grossam Interesse, dass jede Unterbrechung mir unlieb war.
Ich bin traurig, dass ich Ihnen nie ein Buch von ähnlichem Interesse
von mir hätte schicken können. Und meine Sachen in deutscher Ueber-
setzung sind mir ein solches Greuel, dass ich sie nicht ansehen kann.
Leider kenne ich nicht Oesterreich oder Wien gut genug, um im Stande
zu sein, eine Ansicht darüber zu haben, wie ähnlich das Bild ist,
das Sie geben. Es scheint ähnlich. Aber haben Sie nicht zwei Bücher ge¬
schrieben? Das Verhältnis des jungen Barone zu seiner Geliebten ist eine
Sache, und die neue Lage der jüdischen Bevölkerung in Wien durch den xxx
Antisemitismus eine andere, die mit der ersteren, scheint mir, in nicht
notwendiger Verbindung steht. Die Geliebte ist nicht Jüdin,
Das Thema: Die Zärtlichkeit gegen das weibliche Wesen, mit Angst vor
der Ehe versetzt, und die Collisionen, die diese Combination veran-
lasst, macht vielleicht ein Buch für sich. Die Zerrissenheit einiger
Juden, die unruhigen Begierden einiger junger Jüdinnen, der Gnobism
eines jüdischen Jünglings, der Mut und Innigkeit eines anderer die
Keckheit, der Leichtsinn und der Ernst der Therese bilden aber zusammen
den Kern des Buches, nicht wahr? Ich freue mich über den inneren Reich-
tum des Werkes und sehe ja sehr gut die vielen Zusammenhänge (z.B. dass
das Wesen der Juden dem Baron unverständlich und doch zu ständich ist)