B17: Brandes, Georg 17 (1) Brandes an Schnitzler, Seite 19

Juni 18
Da San Remigio,
lanza,
dore.
ai 1908
aber nicht den strengen
Zusammenhang. - Ihre Gestalten sind
fesselnd. Ich kenne nicht eben solche Menschen, aber glaube an ihre
Wahrheit. WenigVerehrter Freund. mich wie die Ihrigen. Ich glaube immer
Seien Sie bedankt, dass Sie, obwohl wir uns so selten sehen, sich
immer meiner erinnern und mir die Freude bereiten, jedes neue Buch,
das Sie hervorbringen, aus Ihren eigenen Händen zu erhalten. Es ist
mir, der ich so viele Bücher bekomme, immer ein Fest, wann eines
von Ihnen anlangt.
Ich habe Ihr Buch auf einer Reise gelesen, langsam und sorgfältig
und mit so grossem Interesse, dass jede Unterbrechung mir unlieb war.
Ich bin traurig, dass ich Ihnen nie ein Buch von ähnlichem Interesse
von mir hätte schicken können. Und meine Sachen in deutscher Ueber-
setzung sind mir ein solches Greuel, dass ich sie nicht ansehen kann.
Leider kenne ich nicht Oesterreich oder Wien gut genug, um im Stande
zu sein, eine Ansicht darüber zu haben, wie ähnlich das Bild ist,
das Sie geben. Es scheint ähnlich. Aber haben Sie nicht zwei Bücher ge¬
schrieben? Das Verhältnis des jungen Barons zu seiner Geliebten ist eine
Sache, und die neue Lage der jüdischen Bevölkerung in Wien durch den xxx
Antisemitsmus eine andere, die mit der ersteren, scheint mir, in nicht
notwendiger Verbindung steht. Die Geliebte ist nicht Jüdin.
Das Thema: Die Zärtlichkeit gegen das weibliche Wesen, mit Angst vor
der Ehe versetzt, und die Collisionen, die diese Combination veran-
lasst, macht vielleicht ein Buch für sich. Die Zerrissenheit einiger
Juden, die unruhigen Begierden einiger junger Jüdinnen, der Snobismus
eines jüdischen Jünglings, der Mut und Innigkeit eines anderer die
Keckheit, der Leichtsinn und der Ernst der Therese bilden aber zusammen
den Kern des Buches, nicht wahr? Ich freue mich über den inneren Reich-
tum des Verkes und sehe ja sehr gut die vielen Zusammenhänge (z.B. dass
das Wesen der Juden dem Baron unverständlich und doch xxxstündlich ist)
(Juni os)
Verehrter F.
dass ich so weit von Ihnen wohne
aber nicht den strengen notwenigen Zusammenhang. - Ihre Gestalten sind
fesselnd. Ich kenne nicht eben solche Menschen, aber glaube an ihre
Wahrheit. Wenige Bücher fesseln mich wie die Ihrigen. Ich glaube immer
etwas Verwandtes zu spüren. Ich habe
e Sie, kurz gesagt, ausserordentlich
lieb. xxx
seiner spisIhrn Anlage erfolgreich aufgeführt worden ist. Die - im
fesselnde "Verwirrung des Gefühls" in
Georg Brandes.
Medardus ist so recht Ihre Domäne. Sehr fein ist die schwache Anden¬
tung einer geistigen Verwandtschaft zwischen Helene und Napolson.
Die ganze Wieneratmosphäre vor 100 Jahren haben Sie geben wollen. Und
wenn ich nicht irre, lag es Ihnen besonders am Herzen, zu zeigen, auf
welchem Hintergrund von Spiezesbürgerlichkeit und lässiger Privatität.
die in Wien zu Hause waren, und auf weichen Hintergrund von unnationa-
lem Wesen und Gehorsam den Kroberer gegenüber, die in Deutschland her¬
vortraten, der Heroismus einiger Wenigen sich geltend macht. Eine nach-
sichtige Menschenverachtung durchdringt das Schauspiel, und findet u.a.
is mir ein Echo.
Ich möchte immer gerne wissen, wie es Ihnen geht und wie er Beer¬
Hofmann geht, den ich (vor 16 Jahren, glaube ich) mit Ihnen kennen
lernte.
Ueber mich selbst ist nichts Interessantes, wenigstens michte besonders
Gutes zu melden. Ich bin nicht krank. Haben Sie für die Freude Dank,
womit Sie bei jeder neuen Arbeit auch an mich denken.
Ich bin Ihr unveränderlicher Freund
Georg Brandes.