B17: Brandes, Georg 17 (1) Brandes an Schnitzler, Seite 69

V. P.
(13.6.20.)
2 -
Verehrter Liet
Freund.
Es war mir eine Freude, von Ihnen zu hören, eine noch grös
dass Sie jenes schon
und Moskau. Die paar russischen Freude und Freundinnen, die ich hatte,
sind nach Constantinopel versprengt, und leben dort in Armuth; in
Deutschland ist alles unsicher und in Auflösung; in Frankreich und Eng-
land sind mehrere meiner besten Freunde Jingo's geworden und aller
Vernunft verschlossen. Das grosse Publikum est dort. wie überall,
"der ewige Dummkopf, der man genannt wird." Ich hatte hier einen
flüchtigen, aber recht angenehmen Besuch von einem österreishischen
Obersten Namens Kreutz, der ein gutes Buch Die grosse Phasse ge-
schrieben hat, und danach winige weniger gute, oder wiederholende.
Mein Leben ist einsam; ich arbeite viel, habe wieder, nachdem
ich die zwei Bände über Cäsar herausgab, eine grosse Maschine in
nderthalb Jahren in der italienischen Renais-
Arbeit; ich bin seit
er zösis
sance vertieft. Ob es was wird, weiss ich nicht. Ich habe ja mehrere
Altersgrenzen hinter mir.
G.C.F.F:F.P:F:
Beer-Hofmann merkwürdige Myterie verstehe ich als seine
Antwort auf die immer mehr anschwellende Bewegung des Judenhasses in
Europa. Diese Bewegung hat auch den Norden erreicht, und mich zum
Einsiedler gemacht. Frühe
er ich Däne und wurde so aufgefasst; plötz-
lich werde ich Jude genannt, und war es nie. Unmöglich, irgend etwas
der Krapüle verständlich zu machen.
Ich hoffe, dass es Ihrer Frau Gemahlin und Ihren Kindern
hundert
nicht übel geht. Ich
Ihnen vom Herzen die Hand.
vergnügen.
or be-
Lehrenden Bücher gehabt haben xxx
Georg Brandes.
Ich sondurch dies Intervisw, wie
denkeiten Sie
durch das alte, nur scherzhafts und witzige. Nach
gebracht haben. Der
jetzt überall, glühende Antisemitinnen und die Tage
geben
im Verein solche Resultate. Als ob die Messchen durch die usa-
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Kopenhagen 5. Januar 22,
Verehrter lieber Freund.
Es war mir eine Freude, von Ihnen zu hören, eine noch grössere,
dass Sie jenes schon alte Buch, das ich seit 1915 nie wieder angesehen
habe, mit Befriedigung gelesen. Welcher Fluch für mich, eine Sprache
zu schreiben, die Niemand versteht. Ich möchte Ihnen so gern die
späteren Bücher, Voltaire, Cäsar, Michelangelo zugeschickt haben.
Auch was ich in der letzten Zeit über Homer geschrieben.
Ich weiss nicht, ob Ihre Zei ungen davon gesprochen, dass
(weil es am 3. November 50 Jahre her war, dass ich meine ersten Vor-
träge an der Kopenhagener Universität hielt) hier grosse Feier waren,
Fackelzug, der Studenten und anderes. Es würde mich vor 40 Jahren sehr
gefreut haben.
meisten
Am 15. Januar soll ich vor der Aufführung von Tartuffe von der
Bühne des Dagmaren Theaters über Molière reden. Am 19.wieder an die
russischen Schauspieler französisch reden.
Dann verschwinde ich Ende dieses Monats für einige Zeit. Ich
will mich wahrlich nicht zu meinem 80. Geburtstag Glück wünschen
lassen. Die Lächerlichkeit wäre zugross.
nigung, Ihren
Ich las hier einmal im Herbst in einer Zeitung ein Inter-
view eines mir unbekannten dänischen Journalisten mit Ihnen, worin
Sie sehr freundliche Worte über mich sagten, ich glaube die freund-
lichsten, die in jenem Blatte je über mich gestanden haben.
Ich bleibe Ihnen immer verpflichtet und verbunden. Der
Genuss, den ich durch das Lesen Ihrer Werke gehabt habe, ist hundert
Mal grösser als das mögliche Vergnügen, das Sie durch meine nur be-
lehrenden Bücher gehabt haben können.
Ich sahdurch dies Interview, wie viel Unannehmlichkeiten Sie
durch das alte, nur scherzhafte und witzige, Reigen gehabt haben. Der
jetzt überall glühende Antisemitismus und die Tugendholderei geben
im Verein solche Resultate. Als ob die Menschen durch die Umstände