B17: Brandes, Georg 17 (1) Brandes an Schnitzler, Seite 71

P.M.
Kopenhagen, 11. Juni 23.
Lieber Schnitzler.
Seien Sie bedankt für die Güte, die Sie nicht weniger als
drei Mal einen Patenten aufsuchen liess. Ich war und bin Ihnen von
ganzem Herzen dankbar. Ich hoffe, dass Sie in Stockholm gute Erfahrun-
gen machten. Ich habe leider keine schwedische Zeitung gelesen. Ich
habe den Wunsch, dass es Ihnen in der hübschen Stadt gut ging und dass
Sie was verdienten. Die schwedische Krone ist viel mehr wert als die
dänische.- Ich bin augenblicklich auf dem Lande (Hornbäth,Villalris).
um mich zu erholen, und es geht mir sehr gut, wäre nur nicht der Som-
mer so schlecht, das Vetter so kalt und regnerisch. Ich habe recht
viel gearbeitet, gebe idie 6.Ausgabe meiner alten vor halbhundert
Jahren geschriebenen Hauptströmungen heraus, in vermehrter und verbes-
serter Gestalt, merze Irrtümer aus und füge Binsenwahrheiten hinzu.-
Es war eine wahre Freude für mich, Sie wiederzusehen, anscheinend un-
angefochten von all dem Ungemach, das sich über Land wie übr ganz
Europa gestürzt hat. Sie haben augenscheinlich nicht weniger Wider-
standskraft als Ihr jugendlicher Verehrer Georg Brandes.
Grüssen Sie den Sohn, von dem Sie mir sprachen.
chenschlag war verschieden, ich habe
Ihrigen überein.
meist Skandlmavinnen und Russinnen gekannt, sie Oesterreicherinnen.
Die wenigen dieser Nation, die ich getroffen habe, waren sehr prosaisch
le Ihre Frauen habeneine postische Aurcole.
Das andere Buch, dessen erzählende Form an Ihr Meisterwerk
über den Leutnant Gustl erinnert, ist ganz einfach aufgebaut, durch
traurige Wahrheit ergreifend. Sie haben den tragischen Ausgang gewollt,
haben dem armen Mädchen die Auswege versperrt. Am feinsten scheint
mir in der Erzählung die Lebenslust, die das junge Mädchen an den Vetter
' 1 -
Kopenhagen 10. Dezember 1924.
Brandes.
und an den Fred:-
leht. Warum sind Sie xxx
Mein liebster Schnitzler
Viel Arbeit und lang dauernde wenn auch nicht schwere Krank-
heit, die noch nicht vorüber ist, haben mich verhindert, Ihnen in
Dank mein Herz auszuschütten. Irgend jemand, der von Ihnen kam, oder
auf Sie sich berief, war neulich bei mir. Wie er hiess, habe ich ver-
ein paar Bücher über das 18. Jahrhu-
gessen.
Ich habe Ihnen für zwei Bücher zu danken. Besonders xxx das
erste die Komödie der Verführung gibt viel zu denken, über den Reich-
tum und die Tiefe Ihrer Erfahrungen, vielleicht noch mehr über die
Fülle und Geschmeidigkeit Ihrer Erfindungskraft, die ich am meisten
ohl immer am
bewundere, weil sie mir völlig fehlt. Man beundert wie
Mlicht und werde sind
meisten Fähigkeiten, die uns verweigert sind.
Ich habe mit Ueberraschung gesehen, dass Ihre paar kurzen
Aufenthalte in unserem kleinen langweiligen Land Ihre Phantasie in
Bewegung gesetzt hat, und dass sogar die Nordküste von Seeland unter
zurück, mit dene
Ihren Händen einen Zauberschimmer erhalten hat,
Sie sind ein grosser Menschenkenner, besonders ein Frauen-
kenner wie wenige. Meine Erfahnungen stimmen nicht immer mit den
Ihrigen überein. Aber der Menschenschlag war verschieden, ich habe
meist Skandinvinnen und Russinnen gekannt, nie Oesterreicherinnen.
Die wenigen dieser Nation, die ich getroffen habe, waren sehr prosaisch;
alle Ihre Frauen habeneine poetische Aureole.
Das andere Buch, dessen erzählende Form an Ihr Meisterwerk
über den Leutnant Gustl erinnert, ist ganz einfach aufgebaut, durch
traurige Wahrheit ergreifend, Sie haben den tragischen Ausgang gewollt,
haben dem armen Mädchen die Auswege versperrt. Am feinsten scheint
mir in der Erzähling die Lebenslust, die das junge Mädchen an den Vetter