B17: Brandes, Georg 17 (2) Schnitzler an Brandes, Seite 23

Liebster Herr Brandes:
da meine Wohnung etwa zwischen Ihren beiden Bahnhöfen
liegt, ist es am besten, Sie fahren mit Ihrem Gepäck zu mir (der
Portier in unserm Haus kann es aufbewahren; er wird avisirt sein)
wenn Sie es nicht vorziehen, das Gepäck vom Nordbahnhof direkt
zum Südbahnhof schaffen zu lassen. Aber ich würde den Vorteil
dieser letzten Anordnung nicht einsehen, es wäre nicht einmal eine
Unser Essen werden wir so einrichten, dass Sie bequem zu
Ersparnis.
Ihrem Zug auf der Südbahn sind.
Somit hoff ich Sie am Donnerstag kurz nach 4 bei mir zu
begrüssen. (Ich wohne jetzt 2 Tre pen höher.) Natürlich würde ich
Sie auch gerne von der Bahn abholen, aber es gibt Menschen, denen
das unangenehm ist u. ich weiss nicht, ob Sie am Ende zu diesen ge-
Also auf Wiedersehen. Mit den herzlichsten Grüssen
hören.
Ihr treuer Arthur Schnitzler
Wien 14.5.90l.
Lieber und verehrter Herr Brandes, ehe ich wieder einmal auf Reisen
gehe - das geschieht heute Abend und wahrscheinlich für einige Monate,
will ich Sie heute noch herzlich grüssen und Ihnen für Ihre Nachrichten
aus Abazzia danken, das Sie übrigens rascher verlassen haben, scheint
mir, als Ihre Absicht war. Dass ich Sie nicht wenigstens auf ein paar
Minuten zu sehn und zu sprechen bekam, auf der Rückreise, thut mir
leid. Sie entschuldigen sich, dass Sie mir die Zeit geraubt haben-
als wenn Sie nicht wüssten, dass ich Ihnen von ganzen Herzen für die
Stunde danke, die Sie mir widmen. muss ich das wirklich erst sagen?
Das das Geld pünktlich angekommen ist, ersehen Sie daraus, dass Sie
weder Mahnbriefe noch einen Pfändungsauftrag bekommen haben. Richard
Beer-H. ust am Wörthersee, in Pörtschach, Villa Arenstein, u. wird
wohl den ganzen Sommer dort bleiben. Ich fahre vor allem nach Salzburg
und weiss kaum, was ich weiter unternehmen werde. Ich bin sehr er-
füllt von einem schönen Stoff, einem in heutiger Zeit spielenden Trau-
erspiel - und möchte das Stück gern irgendwo im grünen und stillen be-
ginnen und zu Ende führen. Ich freue mich, dass Sie die Hovelle vom
Leutnant Gustl amüsiert hat. Eine Hovelle von X Dostojewaki, Krotkaja,
die ich nicht kenne, soll die gleiche Technik des Gedankenmonlogs auf-
weisen. Mir aber wurde der erste Anlass zu der Form durch eine Ge-
schichte von Dujardin gegeben, betitelt les lauriers sont coupes. Nur
dass dieser Astor für seine Form nicht den rechten Stoff zu finden wuss-
Verbringen Sie einen angenehmen Sommer und lassen Sie wenn Sie ge-
launt sind, einmal eine Zeile an mich gelangen. Ich will Ihnen bald
schreiben, wo ich zur Ruhe gekommen bin. Leben Sie wohl. Von Herzen.
Ihr Arthur Schnitzler
Wien, 11.6.901.