B17: Brandes, Georg 17 (2) Schnitzler an Brandes, Seite 24

24 a)
Verehrtes Fräulein,
Sie sind mir natürlich auch längst nicht unbekannt, ihre
kenne sogar Ihr Bild, und vor fünf Jahren hätte ich Sie persönlich
kennen lernen können, wenn ich lang genug in Kopenhagen geblieben
wäre. Es freut mich natürlich sehr, dass Sie etwas von mir für
Ihré Album wollen. Aber da wir nun beinah gute Bekannte sind,
frag ich Sie lieber gleich, was Sie denn am liebsten möchten. Ich
meine das so. Vielleicht haben Sie Sympathie für irgend eines von
meinen Büchern und wünschen, dass ich Ihnen aus einem solchen Buch
etwas in Ihr Album schreiben soll? (Da müssten Sie natürlich warten
bis ich wieder in Wien bin, weil ich meine Werke nicht auswendig
kenne.) Oder Sie wünschen lieber irgend eine der ungeheuer tief-
sinnigen Lebensweisheiten, von denen wir Dichter bekanntlich über-
fliessen? Oder eine von den gaziösen Geistreichigkeiten, die
wir zu tausenden verrätig haben, die man auch beliebig drehen kann
und die immer umgekehrt gerade so wahr sind? In Wahrheit hätte ja
nur eine Art von Albumblättern wirklichen Wert: eins, auf dem ge-
schrieben stünde, was nur der eine des es schreibt zu nur dem einen
sagen könnte, der es verlangt. Wie leid tut es mir, Sie nicht gut
genug zu kennen, um ihnen ein solches anzubieten - und Sie bitten zu
müssen,- bis dahin – ein andres zu wählen und entgegen zu nehmen.
Wenn Sie mir eine Zeile antworten, adressieren Sie sie
gütigst nach Wien; ich bin auf Reisen und vielleicht schon in wenigen
Tagen sehr fern von hier.
Jetzt danke ich Ihnen noch für dasviele freundliche dass
Sie mir in Ihrem Briefe gesagt haben, bitte Sie, sehr herzlich Ihren
Vater zu grüssen und bin Ihr
aufrichtig ergebener
Arthur Schnitzler
sanktet
a/Arlberg
4.7.901.
13.3.906.
Lieber und verehrter Herr Brandes,
Ihr Brief hat mir diesmal besonders wohl gethan. Auch mir ist
der "Ruf des Lebens" werth, zum mindesten in seinen xxx ersten zwei
Akten; mit dem dritten habe ich viele Mühe gehabt, und er ist doch
lange nicht das geworden, was ich wollte. Die Macht des "ersten Ein-
falls" ist zu gross; ich sehe ein, dass ich mich in einem gewissen
Augenblick von diesem ersten Einfall hätte befreien müssen und die
Sache so dramatisch weiterführen, als ich sie begonnen. Es kam am
Ende doch nicht darauf an zu sagen, dass man auch aus den furchtbarsten
Schicksalen emportauchen kann, dass wir nur den Widerhall von Worten
bringen u. s.w.;- eben in Dramen erledigt ein alberner Dolchstich
oder ein Fenstersprung im Wahnsinn al le Dinge viel entscheidender als
die tiefste und glatteste Weisheit. (Ich sage:tief und platt; eben die
tiefste bleibt ja glatt, wenn wir nicht unsern eignen Weg hingegangen
sind.) Aber was red ich da. Ich bin entfernt davon, Sie von Ihrer
Sympathie für mein Stück abbringen zu wollen. Ich kann sie besser brauche,
als je. Was Sie im Tag gelesen, war gewiss nicht das unverständigste
und noch gewisser nicht das böseste, was man mir diesmal nachgesagt. Da
es im 2.Akt knallt und da im 1. Akt vergiftet wird, hat man mich als
Spekulanten bezeichnet, einen Kerl, der auf diese ordinär theatralische
Art durch Tantiemen ein reicher Mann werden möchte. (Eine Spekulation,
umso verächtlicher, als sie nicht geglückt ist, stand irgendwo zu
lesen.) Knallt es nicht,- so heissen mich dieselben Laute einen
"Novellisten" u.s.w.- m Russland scheint das Stück sehr gefallen zu
haben.- Mir ist im phantastischen zu weilen sehr wohl, insbesondere
wenn ich aus der dünneren Atmosphäre des ausschliesslich psychologischen
hinabgestiegen komme.