B17: Brandes, Georg 17 (2) Schnitzler an Brandes, Seite 25

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Ich hoffe sehr, Sie heuer noch zu sehn. Wenn alles gut geht,
möcht ich nemlich im Sommer mit Frau und Kind an die dänische Küste.
Dieser Sommer 96 bleibt für mich eine der mildesten, beruhigendsten
Erinnerungen. So wohl wie in jenen Buchenwäldern war mir selten zu
Muthe. Nun hat sich ja vieles in meiner Existenz gut und schön ge-
staltet, aber was ist alles in diesen zehn Jahren geschehn! Sie
sagen, dass meine Arbeiten eine so grosse Spannweite haben, weil ein
Theil dem Tod, der andere der Liebe gewidmet sei. Kein Wunder. In
dieser Spannweite hat nicht mehr und nicht weniger Platz als das Le-
ben. Freilich ist mir sehr wohl bewusst, dass in dem, was ich bisher
geschrieben habe, mehr von der Sehnsucht nach dem Leben, von einer sehr
tiefen Ahnung und wohl auch von einem Begreifen des Lebens zu spüren
ist, als vom Leben selbst. "Des Lebens Ruf.. ach, seine Fülle nicht!“
(Suchen Sie nicht etwa, wo der Vers steht, es ist ein geschwindeltes,
Citat.)
Leben Sie wohl und seien Sie herzlichst bedankt und gegrüsst von
Arthur Schnitzler
Ihrem
26) (Ansichtskarte)
11.7.906.Marienlyst
Verehrtester Herr Brandes, heute erhalte ich eine Karth von Brahm,
der mich bittet Sie herzlich zu grüssen und mir von Ihrem Ibsen-
Büchlein erzählt. Lassen Sie mich doch, wenn's leicht geht, durch
eine Zeile wissen, wie's Ihnen geht. Mir gefällt es hier ausnehmend
gut. Auf Wiedersehen und herzlichen Gruss. Ihr Arthur Schnitzler.