B17: Brandes, Georg 17 (2) Schnitzler an Brandes, Seite 30

Wien, XVIII, Sternwartestr. 71, 12.X.911.
Lieber und verehrter Herr Brandes,
ich habe mich in der Angelegenheit des Frl. Puzor(?) gleich
an die Neue Freie Presse gewandt: hier das Resultat.-
Sie reisen überall hin, nur nach Wien wollen Sie niemals
kommen! Nun, vielleicht führt uns der nächste Sommer wieder nord-
wärts, und man sieht einander wieder. Es freut mich immer so sehr
in Ihren Briefen zu lesen, dass Sie meiner in Sympathie gedenken;-
was Sie, mein verehrter und lieber Freund mir bedeuten - mir schon
bedeutet haben, lang eh Sie von meiner Existenz wussten, das fühlen
Sie wohl! Nur schade, dass man sich meist an diesem xxx Wissen und
Fühlen muss genügen lassen - und in so vielen vieler Jahren innerer
Zusammengehörigkeit keine fünfzig Stunden mit einander verbracht hat -
Ich bin nun mit den Proben meiner neuen Trägikomödie „das weite
Land" beschäftigt - am Sonntag ist die Premiere zugleich am Burgtheater,
in Berlin, München, Hamburg, Frankfurt und noch eilichen andern Städ-
ten. Sie werden das Buch in diesen Tagen bekommen; hoffentlich verden
Sie einige Freude daran haben.- Der schwarte Rand dieses Blattes be-
sagt, dass meine Mutter gestorben ist. Es sind nun fünf Wochen her-
nach einer Lungenentzündung, von der sie gar nichts verspürte (sie
glaubte im Sanatorium eine Mastkur zu gebrauchen), ist sie ruhig ein-
geschlafen für ewige Zeit.-
Leben Sie wohl, erhalten Sie mir Ihre Freundschaft, und lassen
Sie uns ein Wiedersehn in guter Gesundheit erhoffen.
Arthur Schnitzler
Herzlichst der Ihre
Meine Frau grüsst Sie. Auch sie möchte so gern wieder ein-
mal Georg Brandes sehn!
i.e.ij.
1/1 /1
20.11.1912.
Lieber und verehrter Herr Brandes,
Da ich leider nicht weiss, wo Sie abgestiegen sind, sende
ich diesen Brief in die Orania. Ich frage vor allem bei Ihnen an, ob
Sie uns das Vergnügen machen wollen am Freitag Abend gegen acht bei uns
zu essen. Es wäre sehr liebenswürdig von Ihnen mir gleich nach Empfang
dieser Zeilen hinweitig keine zusagende Antwort zu senden. Morgen
Abend, Donnerstag, werde ich Ihnen nach Ihrer Vorlesung endlich wieder
die Hand drücken können. Seien Sie willkommen in Wien und herzliche
Grüsse:
Ihr sehr ergebener
Arthur Schnitzler
Samstag Abend fahre ich nach Berlin, zu den Proben meines neuen
Stückes. Sollten Sie den Freitag Abend schon vergeben haben, so schenken
Sie uns den Freitag Mittag gegen 1/2 2.
Erfahre eben Ihre Adresse - schicke also den Brief ins Continental.