B17: Brandes, Georg 17 (2) Schnitzler an Brandes, Seite 46

Votre très-ciès de l'â¬
wien, 14.12.924.
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mein lieber und verehrter Freund, den Empfang Ihres Briefes vom 10. Dezember
will ich gleich mit den herzlichsten Dank bestätigen. Denken Sie, mit der
eine "versunkene Welt" gestalte, für die sich kein Mensch mehr interessiere.
gleichen Post kam Ihr Julius Caesar- vom Verleger (Reiss) übersandt, zugleich
(Man darf nur Dramen von 1924 schreiben- haben Sie das gewusst?) Auch sind
mit dem dritten Band der neuen Ausgabe der Hauptströmungen. Also- dieser
Tod und Liebe unwürdige Sujets,- nur Grenzregulierungen, Valutaänderungen.
Caesar ist ohne Ihre Autorisation in Deutschland erschienen? Aber Voltaire,
Steuerfragen, Diebstähle und Hungerrevolten interessieren den ersten (ins-
Michel Angelo, Goethe- das sind doch autorisierte deutsche Ausgaben? Bitte
besondere ernsten deutschen) Mann.-
sagen Sie mir ein Wort darüber. Ich erkundigte mich im vergangenen Frühjahr-
Hab ich Ihnen schon einmal geschrieben, dass mein Sohn Heinrich
anlässlich meiner Bestätigung der eingetroffenen anderen Brandes Bände, - bei
in Berlin Staatstheater engagiert ist? Er fühlt sich dort sehr wohl; er wird
Reiss für wann der Caesar zu erwarten sei- er erwiderte, dass er ihn gleich
wohl allmälig nach dem Regisseur und Theaterdirekter zu sich entwickeln. An-
nach Erscheinen an mich senden werde- das hat er nun getan- und Sie sollten
fangs sah's auch, als würd er Kapellmeister werden. Meine Frau lebt in Baden-
erst durch mich authentisches von diesem deutschen Cassar erfahren- u. hatten
Baden; - so bin ich jetzt hier mit meiner fünfzehnjährigen aber sehr erwachse -
nicht einmal Honorar erhalten?- Die Angelegenheit irritiert mich vielleicht
nen Tochter Lili (Interesse: Sprachen,- Theater-Geschichte (vor allem
darum ein bisschen mehr,- weil ich immer wieder so arge und ärgerliche Dinge
Friedrich II und Wapoleos) - Eislaufen und Tanzen) allein, sehe aber ziemlich
mit meinen Büchern im Ausland erlebe, noch nie ist der Diebstahl, jeder Raub
viele Menschen- die Hälfte davon kaum öfter als 1-2 Mal. Auch so liebe Freunde
am geistigen Eigentum so schamlos betrieben worden als jetzt! Man muss Mahn-
wie Richard Beer-Hofmann seh ich eigentlich selten;- und Hofmannsthal- da gibt
briefe schreiben, Prozesse führen- oh nicht nur im Ausland,- auch in nächster
es Pausen bis zu einem Jahr! B-H. hat jetzt einen erheblichen Erfolg als Re-
Nähe, - verschwendet Zeit und Geisteskraft an geschäftliche Correspondenzen
gisseur gehabt; xxt er hat ein englisches Stück umgearbeitet und inszeniert.
Seine Tochter Mirjam hat geheiratet, und wird mit ihrem Gatten wahrscheinlich
und erreicht so wenig! - Aber genug davon.-
Es freut mich, dass Ihnen die Kom. der Verführung einigen Spass ge-
bald nach Kopenhagen übersiedeln.-
Es erscheinen bald wieder Novellen von mir,- und ein Versstück wird
macht hat und dass Sie mir die Palmen, die ich in Gilleleje wachsen liess,
vielleicht auch bald fertig sein; - besonders viel aber feil ich an aphoris-
nicht übel genommen haben— (im Gegensatz zu einer Landsmännin (und entfernten
tisch-fragmentistischem herum- und wenn mein Bedürfnis in möglichst präciser
Verwandten) von Ihnen glaub ich), der Frau Karen Stampe Ben dix, die ich manch-
u.conciser Form gewisse Lebenswahrheiten auszusprechen- die natürlich an sich
mal sehe- und die eine reizende kleine Tochter-Tänzerin hat.) Das Stück hat
nicht neu sind - zu denen ich aber meinen eigenen Weg gegangen bin- dieses Be-
es ziemlich schwer und wird sich- wie es mit meinen meisten Stücken geht-
dürfnis wird mit den Jahren immer stärker. Es ist auch etwas Pedanterie und
von meinen allerersten abgesehen,- nur allmälig durchsetzen. Die Verlogen-
etwas Verspieltheit dabei.
heit der Kritik in "moralischen" Dingen ist seltsamerweise- je freier die
Existenz gerade in dieser Hinsicht sich gestaltet hat- ungeheuerlicher als je.
Für mich hat jetzt das Völkchen eine neue Formel gefunden: dass ich nemlich
Votre très-hier
o'est avec