A107: Die Schwestern oder Casanova in Spa. Lustspiel in Versen (Eifersucht, Die Wiederkehr, Spion), Seite 39

Arthur Schnitzler
Zu Arbeit und Vergnügen klug gesellten
Zum größten Vorteil schlüg’s uns allen aus.
Denn dieser Bassi — Santis' Worte sind's
Als meinen Meister muß ich ihn erkennen.
Anina: Als Meister —? Und worin?
Flaminia:
Sie fragen, Beste?
Anina (erschrocken): Im Spiel —?
Flaminia (belläufig): Vielleicht in andern Dingen auch.
Anina: Nie früher rührt' er eine Karte an.
Flaminia (ungläubig): Ach, gutes Kind —
Anina (immer erregter): Wie hätt' er in Ferrara,
Als eines angesehnen Kaufherrn Sohn,
Wie in Bologna auf der hohen Schule
Dergleichen — Künste jemals lernen sollen!
Flaminia: Ob dort, ob anderswo!
Anina (lebhaft):
Sie irren sich!
Der Eltern Widerstand — denn ich bin arm
Trieb uns hinaus
Flaminia (sie unterbrechend): Nun aber sind Sie draußen.
So fängt es eben an. Aus Flucht wird Reise,
Aus notgedrungner Reise heitere Fahrt,
Leicht wird der Sinn, und in der Fremde lernt sich,
Was uns der Heimat Enge vorenthielt,
Meist nur allmählich, — manchmal über Nacht.
Sie sind wie alt?
Anina:
Schon achtzehn.
Flaminia:
Achtzehn! Ich
Bin vierundzwanzig. Und zehn Jahre her,
Daß ich mit Santis —! Ach, wie war ich jung!
Und wenn ich denke, daß mich Santis liebte
Und heut noch liebt, so könnt' es seltsam scheinen,
Was er mich werden ließ. Doch man gewöhnt's.
Und nichts ist lust'ger, glauben Sie, mein Kind,
Als Herz an Herz geschmiegt einander flüsternd
Die letzten Abenteuer zu vertrauen.
Wie lachen wir! Denn ach die Welt ist dumm.
Zumal die Männer
Santis tritt auf. Über vierzig, groß und stark. — Anina — Flaminia.
Santis:
Meinen Gruß den Damen.
(Zu Anina, er küßt ihr ehrerbietig die Hand.)
Sie haben wohlgeschlafen, schönste Frau?
Anina: Vortrefflich.
Flaminia:
Und wo triebst du dich umher?
Die Schwestern
Santis: Man bietet mir ein Roß zu günst’gem Kauf.
Ich hab's auf freiem Felde ausprobiert.
Doch glaub' ich, will es einen leichtern Reiter
So etwa von Herrn Bassis Wohlgestalt.
Gefällt's ihm, will ich's gern ihm überlassen.
Anina: Sie sprachen schon mit ihm?
Bisher noch nicht.
Santis:
Es fiel mir eben ein, da ich ihn sah.
Anina (ihre Erregung bemeisternd): Wo sah'n Sie ihn?
Im Park, von weitem nur.
Santis:
Ich ritt vorbei. In dunkler Bäume Schatten
Ruht' er auf einer Bank — und träumte wohl!
Denn nicht einmal des Rosses Hufschlag machte,
Daß er den Blick empor vom Boden hob.
Flaminia: Ein Philosoph!
Die Maske steht ihm gut.
Santis:
Anina (befremdet): Die Maske?
Edle Frau, wer trägt sie nicht?
Santis:
Es ziemt sich kaum im Karnevalgewirr,
Vor Mitternacht das Antlitz frei zu zeigen.
Anina (befangen lächelnd): Und wann kommt Mitternacht?
Wann's uns beliebt.
Santis:
Anina: Es scheint, Sie sind der Philosoph, Baron?
Santis: Bin's wirklich! Ja, (In neuem Ton) und darum stets bedacht,
Daß niemals leer das Rad der Stunde laufe.
Der Tag ist schön, wir wollen ihn genießen.
Im Parke wird die Tafel hergerichtet
Schon gab ich Auftrag, zwölf Gedecke
Zwölf?
Flaminia:
Santis: Ich lud mir Gäste.
Welche?
Anina:
Herrn und Damen,
Santis:
Die mir so hoher Ehre würdig scheinen.
So unter andern einen Lord aus England,
Der, auf der europä'schen Tour begriffen,
In prächtiger Karosse, voll bepackt,
Heut morgen eintraf, jung und unbeweibt.
Dann eine Witib — kommt aus Amsterdam
Von Trauer und holländ’schen Gulden schwer,
Und sehr begierig, beides loszuwerden.
Flaminia (zu Anna): Sie dürfen seiner Nase ruhig trauen,
Auf Meilen riecht er Gold in Schrank und Beutel.
Anina: So sollen wir mit Anbekannten speisen?