Arthur Schnitzler
Tat ich ihn nicht?
Casanova (wie gelangweilt):
Betrogen alle drei: der Jüngling zweifach,
Einfach die Frau'n, auf ihre Weise jede.
So glich sich alles aus, und ich erkläre:
Ungültig war das ganze Abenteuer.
Andrea: Das sagt sich leicht. Doch Sie vergessen leider:
Noch stehn die Damen da mit Blanken Dolchen.
Casanova: Doch in der Dichtung nur. Denn in den Höh'n
Des philosophischen Problems, mein Freund,
Gibt's weder Dolch noch Leidenschaft noch Mord.
Die Rechnung ist gelöst — gehn wir zu Tisch.
Andrea (in kindischem Trotz ihm den Weg versperrend):
Gelöst ist das Problem, ich lass' es gelten.
Wie aber, frag' ich, endet die Novelle?
Wo, was einmal geschehn, nicht nach Belieben
Als ungeschehn sich abtun läßt, in der,
Da sie des Lebens treues Abbild ist,
Erinnerung nicht verlischt; Irrtum und Wahrheit
Sich wunderbar verschlingen, Leidenschaften
Ins Nah' und Ferne weiterwirken, wo —
In der Novelle just so wie im Leben
Es nicht an Dolchen fehlt, die blitzen, töten,
Und Waffen andrer Art, — an Blut und Tränen..
Casanova (zum Fenster hinaussehend):
Rheinlachs mit grüner Sauce — es bleibt uns nichts!
Andrea: And wo — auf unsern Fall zurückzukommen,
Sich Anspruch gegen Anspruch trotzig stellt,
Und die verliebten Damen nicht geneigt,
Verzicht zu leisten, weniger noch zu teilen.
Casanova (zum Fenster hinaus):
Rubinrot funkelt der Burgunderwein —
Der Lord hält bei der zweiten Flasche schon.
Santis: Aus Amsterdam die Wittib bei der dritten.
Casanova: Zu Tisch!
Andrea: Noch nicht, Sie machen’s sich zu leicht.
Sie sollten sich die Mahlzeit erst verdienen.
Casanova: Auch jetzt noch, da ich selbst Gastgeber bin?
Santis: Die Rollen sind vertauscht, dafür fand ich
Die Lösung des Problems und fand zugleich
Der Fabel Schluß.
Wahrhaftig?
Andrea:
Aufgepaßt.
Santis:
Der Jüngling zweifach glücklich, wie Andrea
Die Schwestern
Wie Casanova meint, zweifach betrogen,
Der nachts die eine hielt in heißen Armen,
Jedoch im Geist der andern Bild umfing,
Er muß, daß allen drein nach Recht geschehe,
In einer Nacht, gleich der verfloßnen dunkel,
Beseligt an der andern Herz gedrängt,
Der einen Bildnis sich ins Auge träumen -
Und wieder, eh' der Morgen graut, entfliehn.
Casanova (hat bei diesen Worten in sinngemäher Weise bald auf Flaminia, bald aus Antna
geblickt).
Santis (Rola): So lös' ich das Problem als Philosoph,
Und als Poet beschließ' ich die Novelle.
Andrea: And klatschen Beifall selber sich als Tropf.
Santis: He, wie? (Will auf ihn los.)
Casanova: Kein neuer Aufschub, wenn's beliebt.
Santis: Die Antwort auf den Tropf zum Nachtisch, Herr!
Casanova: Und nun zu Tisch, ich bitte, meine Damen.
Andrea (fich vor die Türe stellend): Es gibt ein Vorgericht. Wir wollen sehn,
(zu Casanova)
Wem von uns zwei'n nachher das Mahl noch schmeckt.
Casanova: So eilig?
Andrea (den Degen ziebend): Ziehn Sie!
Wie der Braten duftet
Casanova:
Getrüffelte Pasteten, Angarwein! (zu Andrea)
Zwei Bissen und ein Schluck, nachher den Tod!
Andrea: Vor allem unser Gang, und einer nur
Von uns, ich schwör's, soll irdisch weitertafeln.
Sie oder ich, der andre in der Hölle.
Casanova: Im Paradies, wenn's sein muß, aber gleich.
Santis (allmählich verstehend): Wieso? Warum? War's etwa kein Problem?
Casanova (hat auch den Degen gezogen, stellt sich Andrea gegenüber).
Flaminia (Halt! Ich erlaub' es nicht! Mein Casanova!
Santis (glaude zu begretfen): Flaminia, wie? Bei dir heut' nacht — ist's möglich?!
Bei dir, statt bei Anina? — Nun versteh' ich.
Dein Casanova! Ha, nicht übel, wahrlich
Bin ich dein Gatte nicht, dein Herr nicht mehr,
Daß du dir deine Schlafgenossen wählst?
Du sollst es büßen. Aber noch vor dir
Dein Casanova! (zu ihm, den Dezen ziehend) Rechenschaft von Ihnen
Verlang’ ich, der die Gattin mir verführt.
Und zwar sofort.
Casanova (vonua): Es geht nur nach der Reihe.
Beiseit' getreten, wenn ich bitten darf,
Und nun, Andrea, Freund, ich bin bereit.
Tat ich ihn nicht?
Casanova (wie gelangweilt):
Betrogen alle drei: der Jüngling zweifach,
Einfach die Frau'n, auf ihre Weise jede.
So glich sich alles aus, und ich erkläre:
Ungültig war das ganze Abenteuer.
Andrea: Das sagt sich leicht. Doch Sie vergessen leider:
Noch stehn die Damen da mit Blanken Dolchen.
Casanova: Doch in der Dichtung nur. Denn in den Höh'n
Des philosophischen Problems, mein Freund,
Gibt's weder Dolch noch Leidenschaft noch Mord.
Die Rechnung ist gelöst — gehn wir zu Tisch.
Andrea (in kindischem Trotz ihm den Weg versperrend):
Gelöst ist das Problem, ich lass' es gelten.
Wie aber, frag' ich, endet die Novelle?
Wo, was einmal geschehn, nicht nach Belieben
Als ungeschehn sich abtun läßt, in der,
Da sie des Lebens treues Abbild ist,
Erinnerung nicht verlischt; Irrtum und Wahrheit
Sich wunderbar verschlingen, Leidenschaften
Ins Nah' und Ferne weiterwirken, wo —
In der Novelle just so wie im Leben
Es nicht an Dolchen fehlt, die blitzen, töten,
Und Waffen andrer Art, — an Blut und Tränen..
Casanova (zum Fenster hinaussehend):
Rheinlachs mit grüner Sauce — es bleibt uns nichts!
Andrea: And wo — auf unsern Fall zurückzukommen,
Sich Anspruch gegen Anspruch trotzig stellt,
Und die verliebten Damen nicht geneigt,
Verzicht zu leisten, weniger noch zu teilen.
Casanova (zum Fenster hinaus):
Rubinrot funkelt der Burgunderwein —
Der Lord hält bei der zweiten Flasche schon.
Santis: Aus Amsterdam die Wittib bei der dritten.
Casanova: Zu Tisch!
Andrea: Noch nicht, Sie machen’s sich zu leicht.
Sie sollten sich die Mahlzeit erst verdienen.
Casanova: Auch jetzt noch, da ich selbst Gastgeber bin?
Santis: Die Rollen sind vertauscht, dafür fand ich
Die Lösung des Problems und fand zugleich
Der Fabel Schluß.
Wahrhaftig?
Andrea:
Aufgepaßt.
Santis:
Der Jüngling zweifach glücklich, wie Andrea
Die Schwestern
Wie Casanova meint, zweifach betrogen,
Der nachts die eine hielt in heißen Armen,
Jedoch im Geist der andern Bild umfing,
Er muß, daß allen drein nach Recht geschehe,
In einer Nacht, gleich der verfloßnen dunkel,
Beseligt an der andern Herz gedrängt,
Der einen Bildnis sich ins Auge träumen -
Und wieder, eh' der Morgen graut, entfliehn.
Casanova (hat bei diesen Worten in sinngemäher Weise bald auf Flaminia, bald aus Antna
geblickt).
Santis (Rola): So lös' ich das Problem als Philosoph,
Und als Poet beschließ' ich die Novelle.
Andrea: And klatschen Beifall selber sich als Tropf.
Santis: He, wie? (Will auf ihn los.)
Casanova: Kein neuer Aufschub, wenn's beliebt.
Santis: Die Antwort auf den Tropf zum Nachtisch, Herr!
Casanova: Und nun zu Tisch, ich bitte, meine Damen.
Andrea (fich vor die Türe stellend): Es gibt ein Vorgericht. Wir wollen sehn,
(zu Casanova)
Wem von uns zwei'n nachher das Mahl noch schmeckt.
Casanova: So eilig?
Andrea (den Degen ziebend): Ziehn Sie!
Wie der Braten duftet
Casanova:
Getrüffelte Pasteten, Angarwein! (zu Andrea)
Zwei Bissen und ein Schluck, nachher den Tod!
Andrea: Vor allem unser Gang, und einer nur
Von uns, ich schwör's, soll irdisch weitertafeln.
Sie oder ich, der andre in der Hölle.
Casanova: Im Paradies, wenn's sein muß, aber gleich.
Santis (allmählich verstehend): Wieso? Warum? War's etwa kein Problem?
Casanova (hat auch den Degen gezogen, stellt sich Andrea gegenüber).
Flaminia (Halt! Ich erlaub' es nicht! Mein Casanova!
Santis (glaude zu begretfen): Flaminia, wie? Bei dir heut' nacht — ist's möglich?!
Bei dir, statt bei Anina? — Nun versteh' ich.
Dein Casanova! Ha, nicht übel, wahrlich
Bin ich dein Gatte nicht, dein Herr nicht mehr,
Daß du dir deine Schlafgenossen wählst?
Du sollst es büßen. Aber noch vor dir
Dein Casanova! (zu ihm, den Dezen ziehend) Rechenschaft von Ihnen
Verlang’ ich, der die Gattin mir verführt.
Und zwar sofort.
Casanova (vonua): Es geht nur nach der Reihe.
Beiseit' getreten, wenn ich bitten darf,
Und nun, Andrea, Freund, ich bin bereit.