A117: Professor Bernhardi. Komödie in fünf Akten (Ärztestück, Junggesellenstück), Seite 6

Sie aus den bisherigen
###ogen haben, daß der Weg, den sie
versehlte Beengang einer neuen Regierung Verbündete
so lange mit der Regierung gegangen sind, nicht der
Augenblick den Mut auf¬
ist, der im Interesse der Volksvertretung zum Ziel
zu, auf die sie niemals hätten rechnen können. So
selbst zu opfern, um Größeres und / bedauerlich es ist, und so sehr die destruktige Tätigkeit | führt. Vieles ist wohl versäumt, aber noch ist nicht alles
brachten,
Brüdern des Stiftes ihnen selbst vielleicht nicht durchaus
meiner dichtesten Nähe, was für ein himmelweiter Unter¬
schied zwischen jenem damaligen „Fanatismus" und der
„bequem" durch den streitbaren Eifer, der von der sachten
Feuilleton.
und sanften Gemessenheit der anderen schon als ein Über¬
heute zur Regel gewordenen Gewohnheirsordnung be
Katecheten von ehedem.
mäß abstach. Die damals nah und weit darüber hinaus
stand.
Es war bald nach Beginn des Schuljahres 1848/49
frisch lebendige Tradition der Benediktiner des Wiener
Ein paar Wiener Schulbilder ans der Vergangenheit.
mit welchem die neue Organisation der Gymnasien mit
Ordenshauses ließ sie ja förmlich als einen geistlichen
Der häßliche Streit um den Religionsunterricht, der
„Hort des liberalismus“, als die „Josefiner in der 1 der Anfügung einer siebenten und achten Klasse, an Stelle
von den Zeloten mit und ohne Kutte — und die letzteren
Kutte“ erscheinen, wie wenn das zu ihren Ordensgelübden
der frühere### Übergangsstation vom Gymnasium zur Uni¬
sind nicht selten die ärgeren und unduldsameren — in
gehört hätte — die Äbte Othmar Helferstorfer
versität, des zweijährigen „Lyzeums“, ins Leben trat.
die Schule getragen wird, ihre Freiheit unterzukriegen,
Noch brauste in den Köpfen der jungen Leute, die sich
und sein nachheriger Gesinnungsgenosse und Nachfolger
zwingt förmlich, zurückzudenken an Zeiten, die gewiß
auf dem Landmarschallsitze von Niederösterreich, der
schon „universitätsfähig" fühlten, der Nachhall der kaum
weniger vorgeschritten waren und ärmer gewiß an Wohl
ausgetobten März= und Oktoberstürme von 1848 und des
Benediktinerabt Karl von Melk waren ja auch im poli¬
fahrtsresultaten der menschlichen Forschung, die aber, bei
tischen Parteimeldezettel ausdrücklich als „liberale“ ver¬
vorangegangenen, höchst fragwürdigen Schuljahres, das
aller sonstigen Rückständigkeit, dem humanistischen Geiste
zeichnet — und das Wiener Schottengymnasium übte in
in allen Wiener Schulen überhaupt, speziell bei der
der Duldung auf dem heikelsten Gebiete der menschlichen
der Behandlung seiner Schule, lange vor der vom Revo¬
Schotten aber, eine Art von Schülerautonomie etabliert
Meinungsdivergenzen, auf dem religiösen, näher standen
hatte. In der „Sechsten" gar, der zurzeit noch höchsten
lutionsjahr „proklamierten“, das heißt vorläufig zu
als die heutigen. Und in der Erinnerung steigen alsdann
Papier gebrachten „Gleichstellung der Religionsbekennt¬
Klaffe,- ### Befer autonome Geist durch den Klassenpro¬
Priestergestalten auf, klug und milde schauende, fried¬
fessor, jenen nachherigen Abt Othmar Helfers
nisse“, eine Nichtbeachtung der konfessionellen Unter¬
sam lächelnde, mitunter wohl auch herb und strenge
schiede, wie kaum eine andere Wiener Schule, nicht ein¬
torfer eben, am ausgiebigsten favorisiert worden; der
blickende, doch nicht mit dem verdammenden Bannblitz
mal das, doch immer auf einen oberen Rang vorurteils
feinkluge Professor hatte sich ein paar „Vertrauens
im Auge, die niemals vom Katheder herab Bangnis und
männer", das heißt „Vertrauensjungen" aus den Reihe
loser Geistigkeit aspirierende „akademische Gymnasium“
Verwirrung in die kindlichen Gemüter warfen und, wo
Ergab sich ja doch „bei den Schotten" zu meiner Schulzeit
der Schüler beigesellt und mit ihnen eine Art parla¬
sich irgendwie äußere oder innere Zwiespältigkeiten er¬
einmal das, bei idealster Toleranzpraxis noch immer l mentarischen Klassenregimes konstituiert, mit dem er ein
gaben, ihre Mission nicht darin suchten, dieselben
bißchen Schulreform auf eigene Faust einführte — er
wunderliche Kuriosum, für eine von katholischen Geist¬
durch ungestüme Eingriffe zu erweitern und noch klaffen¬
dozierte zum Beispiel, zur höchlichen Befriedigung der
lichen unterhaltene Lehranstalt wenigstens, daß bei der
der zu machen, sondern die feine Diplomatik einsichts¬
Gymnasiasten natürlich, das Griechische nunmehr in dem
Klassifizierung der Schüler am Schlusse des Schuljahres
voller Toleranz darüber deckend gleiten zu lassen.
und der damals noch statuierten feierlichen „Prämienver¬
„geliebten Deutsch“, während es bis dahin normalgemäß
Gewiß keiner von den milde blickenden, ein wohl
teilung“ ein Jude als „erster Prämiant“, ein Pro¬
lateinisch vorgetragen worden war, eine Doppelbelastung
Strenggearteter war in der Zeit, woher meine persön¬
testant, der Sohn des protestantischen Universitäts¬
also — er erreichte auch wirklich durch diese Politik des
lichen Schulerinnerungen datieren, in den Jahren um
professors Remboldt, als „zweiter“ hervorging, und
Opportunismus, daß seine Klasse die einzige war, in
1848 herum, der Religionsprofessor Pater Ernest des
welcher der Unterricht verhältnismäßig ungestört fortge¬
den dritten Platz erst ein Katholik zugewiesen bekam.
Wiener Schottengymnasiums, der spätere Abt Ernst
Unter den heutigen Verhältnissen dürfte ein ähnlicher
führt werden konnte. Kirchengang und Beichte allerdings
Hauswirth. Er gehörte zwar nicht entschieden zu
Fall in einer geistlichen Schule kaum vorkommen können
in der obligatorischen Regelmäßigkeit vermochte auch er
den, von Anastasius Grün scharf gezeichneten und mit
nicht aufrecht zu erhalten, was ihm übrigens nicht das
Man mag sich also leicht vorstellen können, wie sehr sich
Warnungstafeln behangenen „Dünnen“, noch weniger
von der freundlich linden Temperatur dieser geistlichen
schlimmste Herzbeschwernis zu bereiten schien, ihm nicht
aber zu den vom Dichter sympathisch angerufenen, gut¬
Atmosphäre die Hochgradigkeit des Paters Ernest ab¬
und selbst nicht dem ihm zur Seite stehenden Religions¬
mütigen „Dicken“, er war ein wohlgesetzter, kräftiger
hob. Er mußte in solchem Milieu einigermaßen schon als
Professor Pater Leander, einem körperlich äußerst
Gottesmann von streitbarem, kampfentschlossenen Aus¬
„Franatiker“ figurieren. Und doch erwies sich an einem
„Dünnen“, aber keinen von den seelisch unheimlich
sehen und galt als der schier eiservollste unter den überaus drostischen, buchstäblich einem „Schulbeispiel“ in „Dännen“ Anastasius Grüns. Der brave Mann ließ, der