A128: Im Spiel der Sommerlüfte. In drei Aufzügen, Seite 51

JOSEFA. Gewiß. Aber eins ist noch gewisser. Zuerst
zögernd. Hochwürden verzeihen — daß er vorher irgend
etwas erlebt hat, das die Reue lohnt.
KAPLAN leise Bewegung.
JOSEFA immer bestimmter. Und wenn’s nicht Glück
war, so war es doch — Freude; eine schöne Stunde
wenigstens — oder viele.
KAPLAN nach einer kleinen Pause, in einem neuen Ton, fremd
beinabe. Ich hätte Sie mit meinen persönlichen An¬
gelegenheiten nicht behelligen dürfen. Ich sehe zu
meinem Schmerz, daß der Brief meines beklagens¬
werten Bruders Sie in Unruhe, wenn nicht gar in
Zweifel gestürzt hat. Das war nicht meine Absicht.
Als wollte er geben, streckt ihr die Hand entgegen.
JOSEFA. Bitte machen sich Hochwürden doch
keine Vorwürfe. Er hat mich natürlich sehr bewegt,
dieser Brief. Aber was die Zweifel anbelangt — es ist
Ihnen ja nicht unbekannt, Hochwürden —, dazu hab’
ich wohl schon von Natur aus eine gewisse Anlage.
KAPLAN will abwehren.
JOSEFA. Man weiß ja selber nicht immer davon.
Aber es gibt eben Tage — Stunden, da spürt man deut¬
licher als sonst, wie es in Wirklichkeit in einem aus¬
schaut.
KAPLAN. Gerade solche Stunden, Frau Josefa,
solche Stunden des Zweifels, sagen wir lieber /der in-
neren Unruhe, pflegen sehr trügerisch zu sein.
JOSEFA. Ich weiß nicht, Hochwürden. Das sind
vielleicht gerade die aufrichtigen, die wahrhaftigen
Stunden, in denen man ganz versteht, was man er-
lebt — und zugleich ahnt, was man versäumt hat.
KAPLAN stark, aber nicht bart. Versündigen Sie
sich nicht, Frau Josefa. Sie, die Gott so reich gesegnet
hat vor vielen anderen Frauen.
JOSEFA. Ja, wenn man das auch wirklich besäße,
womit einen Gott gesegnet hat. Über keine Mutter hat
ihren Sohn, und keine Frau hat ihren Mann — so wie
sie ihn haben möchte. Wenn es gerade ruft und lockt
Fischer-Verlag, Berlin
Im Spiel der Sommerlüfte
1. Fahnenkorr. am 21. 8. 29
Bibliographisches Institut in Leipzig