A139: Casanovas Heimfahrt, Seite 146

F. W.
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verzogen sich schmerzlich, er liess das Haupt einken, seine Nasen-
flügel öffneten sich weit, ein leises Röcheln,er starb.- Casanova
beugte sich zu ihm hinab, kniete neben ihn nieder, sah ein paar
Blutstropfen aus der Wunde sickern, führte die Hand ganz nahe
an des Gefallenen Mund; kein Hauch des Lebens berührte sie.
Ein kühler Schauer floss durch Casanovas Glieder. Er erhob sich
und nahm seinen Mantel um. Dann trat er wieder an die Leiche
und blickte auf den Jünglingsleib hinab, der in unvergleichli-
cher Schönheit auf dem Rasenausgestreckt lag. Ein leises Rau-
schen ging durch die Stille; es war der Morgenwind, der durch dei
Wipfeln jenseits der Gartenmauer strich. Was tun? fragte sich
Casanova. Leute rufen? Olivo? Amalia? Marcolina?- Wozu? Lebendig
macht ihn keiner mehr!- Er überlegte mit der kalten Ruhe, die ihm
in den gefährlichsten Momenten seines Daseins immer eigen gewe-
sen war.- Bis man ihn findet, kann es viele stunden dauern,viel-
leicht bis zum Abend, auch länger. Bis dahin hab ich Zeit gewen-
nen, und darauf allein kommt es an.- Er hielt immer noch seinen
Degen in der Hand, er sah Blut daran schimmern und wischte es im
Grase ab. Der Einfall kam ihm, die Leiche anzukleiden, aber das
hätte ihn Minuten verlieren lassen, die kostbar und unwiderbring-
lich waren. Wie zu einem letzten Opfer beugte er sich nochmals
nieder und drückte dem Toten die Augen zu. „Glücklicher“, sagte
er vor sich hin, und, wie in traumhafter Benommenheit küsste er