A145: Reichtum. Erzählung, Seite 8

„Nun, daß es ein junger Mensch aus so armen Hause so weit gebracht hat.“
„So weit! Glaubst Du das wirklich, Vater?"
„Nun ja! Man kennt doch Deinen Namen. Man sagt doch: Der Maler Weldein.“
Der junge Mann lächelte wieder. Mit gelinder Wehmuth erfüllte ihn, was er für
väterliche Eitelkeit hielt... Er trat vom Fenster weg, und das Gespräch kurz abbrechend,
sagte er: „Ich will nun Licht machen.“
„So? Du bleibst daheim?“
„Ich warte noch ein wenig.
„Auf wen?“
„Nun, auf den Grafen."
Der alte Weldein erhob sich. „Er kommt? Graf Spaun?“ Es klang wie ein Angstruf.
„Was hast Du, Vater?"
„Nichts.. Aber ich.. kann mit solchen Herren doch nicht umgehen.. Nein, nein
laß mich.. Ich freue mich sehr.. er wird Dir viel nützen. Leb wohl, Franz."
„Was ist Dir?" Und er schaute den Alten, auf den von dem Kerzenlicht ein schwacher
Schein fiel, befremdet an.
„Aber nichts.. Franz.. Du bist komisch, was soll denn sein? Ich gehe, wie immer
am Abend, bin ich denn je so lange geblieben? — Meine Freunde im Wirtshaus warten
schon! Du gehst wohl...
„Ich gehe mit dem Grafen in den Klub." Und lachend setzte er hinzu. „Es ist da auch
das Gute, daß ich nicht mitspielen kann... Da geht's hoch. Vater.. das anzusehen
Aber Du hast ja nie gespielt?“
„Nein, nie...“
Und beide schauten dem Fenster zu, ins dunkle, Leere. Und vor beiden erschien
dasselbe Bild. Ein jubelnder Lichterglanz.. Mitten darin der große grüne Tisch; und
die Karten fallen, und Vermögen rollen hin und her.. Ein Rausch überkam sie.. der
Rausch der Spieler, die sich erinnern. Der Rausch der Menschen, die daran denken, daß
es nur eine Laune des Zufalls braucht, um sie reich und hochbeglückt zu machen. Ein Luftzug
strich herein, das Kerzenlicht flackerte.. Der grüne Tisch versank, der Glanz der Lichten
löschte jäh aus
Der Alte nahm seinen Hut und ging. „Guten Abend, mein Sohn“, sagt er noch bei
der Thür. Und so rasch er konnte, eilte er die Treppe hinunter. Es war an der Zeit
gewesen. Kaum war er aus dem Thor getreten, so nahte von der anderen Seite die Gestalt
des Mannes, die er seit jenem Abend wohl nicht mehr gesehen, aber nicht vergessen
hatte. Mit weit offenen Augen blieb Weldein stehen... Und ins Thor sah er ihn hinein¬
treten, sah ihn die ersten Stufen hinaufsteigen und verschwinden — wie damals auf der
Stiege des Klubs, als er von ihm mit seinem Reichtum spät nachts mitten auf der Straße
verlassen worden. Und Weldein trat weiter weg vom Thore; er schaute hinauf zum Fenster
seines Sohnes und wartete. An der gegenüberliegenden Wand erschienen Schatten, die sich
bewegten... Sein Sohn und Graf Spaun.. Ihn schauerte.. Warum nur? Ein Ge¬
danke kam ihm plötzlich.. Er wird ihm Unglück bringen! Und er wollte wieder zurück,
hinauf, seinen Franz retten.. Der helle Lichtschein im Flur brachte ihm die Besinnung
zurück... Er blieb stehen.... „Narr“, murmelte er vor sich hin. Und er ging in die
Schänke.
VI.
Früh morgens kam Franz Weldein nach Hause; voll von Eindrücken, ja mit einem
Hauch von Begeisterung setzte er sich hin, um einige Skizzen hinzuwerfen. Und doch.
irgend etwas war, was ihn störte. „Ich weiß, was es ist“, sagte er vor sich hin. ˶Ich
weiß, was mir fehlt.. Ja, wenn ich mich hinsetzen könnte mitten unter die Leute und mit¬
empfinden, was sie empfinden; das wär was andres! Dann könnt es ein Bild geben!
Ja dann —!“
Und er skizzirte weiter. Nach einer Stunde wurde er müde. „Ich will ein wenig ruhen,"
dachte er.. „mich nicht zu Bette legen.. ich will nur darüber sinnen. “ Und er streckte
sich auf das Sophia.. Er schloß die Augen und das Bild entwickelte sich vor ihm. Da ist
der Saal in seiner stolzen Einfachheit. Die vier großen Spiegel in goldenen Rahmen..
Eigentümliche Reflexe, die von einem zum andern fallen. Ein großer Herr mit blindem
Schnurrbart in der Thüre stehend, eine Gardenia im Knopfloch.. Eine Gruppe Teil¬
nahmsloser, an einem der großen Fenster stehend, plaudernd, Eigaretten rauchend.. Und
dann die Spieler um den Tisch.. Der Herr mit dem schwarzen Vollbart. Doch nein.
sie durften nicht zu erkennen sein.. Nur irgend ein Schimmer von jedem... Bei jedemn
findet die Leidenschaft des Spiels irgend einen Ausdruck, der gerade ihm eigentümlich ist.
fast alle scheinen ruhig, doch er, der Künstler sieht, was den anderen verborgen.. Um die
Lippen des einen, um die Augenwinkel des anderen, auf der Stirne eines dritten gewahrt er
den Abglanz desselben Feuers
Und Franz Weldein lag mit geschlossenen Augen da, er fühlte, wie er dem Wahren
näher kam. Ein Geräusch von schweren Schritten schreckte ihn auf. Jemand war herein¬
getreten. Der Maler schlug die Augen auf. „Wer ist da?“ Es war ein unbekannter Bursche.
Weldein erhob sich rasch.
Der Bursch sprach hastig, den Hut in der Hand. „Ich bitte... Herr Weldein, Ihr
Herr Vater ist.. ich bin vom Haus.. er ist krank worden.. Sie möchten hinkommen.“
„Krank? Wie?.. Was ist denn geschehen?"
„In der Nacht, wie der Herr Vater nach Hause gekommen ist..“
„Nun was denn?"
„Geschrien und gesungen hat er die ganze Nacht, und jetzt liegt er im Fieber...“
„Im Fieber? Ist schon der Arzt dort?“
„Nein, im Haus hat man gesagt, ich soll zuerst zu Ihnen...“
„Kommen Sie."
Und beide eilten hinunter. Auf der Treppe sagte Franz Weldein:
„Im Hause nebenan wohnt ein Doktor.. Sie bringen ihn mit, verstehen Sie?
„Jawohl."
Und der junge Künstler lief dem Hause seines Vaters zu, das kaum hundert Schritte
entfernt war. Nach wenigen Minuten stand er an dem Bette des Kranken. Eine Nachbarin
hatte unterdessen bei diesem gewacht.
Der Alte lag stöhnend mit halb geschlossenen Augen auf dem Bette ausgestreckt. Sein,
Gesicht war hochgerötet.. Er erkannte seinen Sohn nicht. Dieser rief ihn an: „Bater
Vater!“ Die Nachbarin, eine gute, alte Frau, wollte den jungen Mann trösten. „Jetzt
ist er schon ruhiger“, meinte sie. „So, so,..“ sagte Franz. Beide standen eine Weile da,
ratlos den Alten betrachtend. „Da ist der Herr Doktor“, sagte die Nachbarin.
„O, endlich!“ rief Franz aus, und trat dem eintretenden Arzt, einem noch jungen
Manne, den er selbst zuweilen zu Rate gezogen hatte, entgegen. „Nun, was gibt’s denn?“
fragte der Arzt. „Ihr Herr Vater, wie ich höre.“
„Jawohl, Herr Doktor, mein Vater“.. und zur Frau gewendet.. Ich danke
Ihnen sehr. Sie werden vielleicht später wieder so gut sein!" — Die Frau ging.
Der Arzt war zum Bett getreten und betrachtete den alten Waldein prüfend und ernst.
Angstvoll stand der Sohn dabei.. Er sah zu, wie der Arzt das Ohr an die Brust des