A145: Reichtum. Erzählung, Seite 9

Kranken legte, horchte, wie er den Puls griff, die Atemzüge zählte. Nach einigen Minuten
schien die Untersuchung zu Ende zu sein..
„Gefährlich?“ fragte der Sohn.
„Ihr Vater hat eine Lungenentzündung."
„Lungenentzündung... da kann man ja davon kommen.. „
„Gewiß kann man. Aber es scheint.. Ihr Vater war ein Liebhaber von geistigen
Getränken.. nicht wahr?"
„Allerdings. Hat das einen Einfluß?“
„Leider ja, Herr Weldein. Im übrigen ist noch kein Grund da, zu verzagen. Nun
wir werden weiter sehen..“
„Also gefährlich“, flüsterte Franz.
Der Arzt antwortete hierauf nicht weiter, gab dann Anordnungen und Ratschläge.
Aufmerksam und traurig hörte der junge Mann zu. Mit herzlichen Worten nahm der Arzt
Abschied und Franz blieb allein bei dem Kranken zurück. Es war ein Augenblick gekommen,
wo dem Alten das Bewußtsein teilweise wiederzukehren schien, und er nahm wie im Traum
die dargebotene Hand seines Sohnes in die seine. „Willst Du etwas?..Vater.Willst
Du etwas?“ Dieser bewegte die Lippen.. Der Sohn beugte sich hernieder, um etwas von
den Lippen herablesen zu können. Aber ganz vernehmlich, nur heiser stieß der alte
Weldein jetzt das Wort hervor: „Trinken!“.. Dann begann er zu Husten, lange und
qualvoll
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Die ersten Tage war es noch leidlich gegangen; in der dritten Nacht aber ver¬
mehrte sich der Husten, das Stöhnen wurde angstvoll, der Ausdruck des Gesichts verfallen.
Dabei sprach der Kranke im Schlaf, wollte aus dem Bett springen. Nicht einmal, zehumal
vielleicht; erst gegen Morgen wurde es besser. Auch der nächste Tag war schlecht. Am Abend
des fünften sagte der Arzt zum Sohne: „Mein lieber Herr Waldein, es steht ernst. Sie müssen
sich gefaßt machen; es ist meine Pflicht, Ihnen das zu sagen." — „Gesaßt..“ wiederholte
Franz tief bestürzt.. „gefaßt.“ „Nur Ruhe, lieber Freund... Sie sind ja ein Mann."
Damit ging er... Der junge Weldein stand da, festgebannt, ihm nachstarrend.. minuten-
lang. Das Licht zu Häupten des Kranken flackerte, in der Mitte des Zimmers auf dem
Tisch stand eine schlecht brennende Oellampe
Franz ging ein paar Mal im Zimmer hin und her, als hätte er was zu suchen, dann
stellte er sich ans Fußende des Bettes, die Arme auf die Lehne desselben stützend; er war
todesmatt, manchmal dem Einschlummern nahe... da ward sein Arm müde, und das
Bettgestell knackte.. Er schrak zusammen und entfernte sich wieder. Auf eine Weile ging er
in den Gang, wo durch das offene Fenster frische Luft hereinströmte. Der volle Mond¬
schein glänzte auf den Steinflies. Etwas Schmeichelndes, Tröstendes lag in dem weichen
süßen Glanze. Da kam dem jungen Manne der Einfall, im Zimmer des Kranken dieses
Licht sich verbreiten zu lassen, und so begab er sich wieder in die Stube und ließ die nieder¬
gelassenen Fenstervorhänge hinauf... Und es flutete herein, über das Fensterbrett, iJber
den Fußboden, über das Bett, und die weißen Linnen erschimmerten blau. Daraus hervor
glänzte das abgezehrte Gesicht des Alten ganz blaß — so bloß... Und die Lippen ganz
weiß... Und auf dem Kasten die leeren Medizinphiolen schillerten.. Der junge Weldein
blieb beim Fenster stehen, müd, traurig, ohne Macht. Und jetzt, gerade jetzt, das erstemal
seit der Krankheit seines Vaters, dachte er an etwas anderes, als an den Kranken
selbst. — Das Bild erschien wieder vor ihm, und er sah sich selbst vor der Staffelei
sitzend... malen. Und Strich für Strich entwarf er es im Geist... Und er vergaß auf
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einige Augenblicke alles andere ringsum... Plötzlich hörte er die Stimme seines Vaters.
Er war aufgewacht! — Er sprach! War's möglich? Und noch einmal: „Franz! — Mein
Sohn!«— „Du rufst, Vater? Vater!“ Und schon stand er beim Bett, die Hand des
Kranken ergreifend, der ihn mit großen Augen ansah, aber nichts mehr redete. „Du willst
etwas, Vater?"
Der alte Weldein neigte den Kopf. „Wie? Was meinst Du?“ fragte Franz. Und er
setzte sich auf die Bettstatt, mit fragendem Blicke den Kranken betrachtend. „Ein Wunder,
mein Sohn, ein Wunder" — sagte dieser.
„Wie? Du fühlst Dich wieder wohl — gesund?“
„Nein.. o nein — ich werde sterben... aber.. 0. wenn ich's nur sagen kann.“
Und er schloß die Augen, holte tief Atem; mit aller Macht schien er das entweichende
Leben festhalten zu wollen.
„Mein Sohn.. komm näher heran.. Näher zu meinem Mund.. ein Wunder..
zwanzig Jahre hatte ich's vergessen, in dieser Stunde kommt mir die Erinnerung. Höre
„Ich höre...“
„Franz, Du bist reich.. Ein Schatz für Dich liegt vergraben.
Mitleidig und erschrocken blickte der Sohn auf den Kranken.. nun war es klar: der
Alte sprach im Fieber. Aber der merkte den Ausdruck im Antlitz seines Sohnes und sagte:
„Ich spreche die Wahrheit.. ein Schatz.. bei der Brücke.. Löwenbrückel.. Ich habe
Geld gewonnen.. hab es vergraben; im Klub hab ich's gewönnen und dann versteckt."
„Im Klub? Du, Geld?"
„Ja, Graf Spann.. Du wirst ihn fragen.. er wird es Dir erzählen, wie er mich
mitnahm eines Abends und ich soviel gewann.. Und getrunken hab ich — viel — sehr
viel.. Und das Geld dann versteckt. Ich habe vergessen, wo.. es war ein Elend.. Du
weißt, was für ein Elend es war. Dieses ganze Leben lang.. Uud jetzt — jetzt..
Er hatte sich im Bett aufgerichtet; seine Stimme war kräftiger geworden; kræftig selbst
der Druck seiner Hand, mit dem er die seines Sohnes umklammert hatte, der atemlos
lauschte.
„Jetzt — plötzlich — wie ich so dalag, ist es wieder in mir aufgewacht. Diese ganze
Nacht! Die Brücke, ja! Die Bräcke.. Es war dort, ich wußte es ja! Unter der Brückte.
unter den Steinen.. ein Hammer lag daneben.. ich riß das Erdreich auf.. ich vergrub
das Geld und mit dem Hammer schlug ich drauf.. darum rauschte es und hallte wieder."
„Vater! Wo ist das? Ich verstehe Dich nicht! Ein Schatz.. unter der Brücke, wo?“
„Die Löwenbrücke.. der Weg diesseits unter der Brückse, knapp am Flusse.. zu dieser
Jahreszeit zwei Schuh breit vom Wasser weg. Da geht ein schmaler Weg zur Landungsstelle
... gepflastert. Damals wurde eben gearbeitet, es war kaum vollendet. Mit einem Hammer
schlug ich das Pflaster auf.. Dort liegt das Geld!"
„Aber...!“
„Du glaubst es nicht. Es ist so.!
„Unter der Löwenbrücke?"
„Unter dem gepflasterten Weg.. gewiß wird es dort sein!.. Ich sehe es. Ich se he
auch, wie ich es unter die Steine legte. Man kann es von dort nicht weggetragen haben,
nein.. Du wirst es finden, Du wirft reich und glücklich sein. /
„Vater!.. Du träumst noch.“
„Nein! Ich träume nicht! Ich weiß es."
„Nun ja, aber der Weg ist lang unter der Brücke."
„O nein, nicht lang.. beim zweiten Pfeiler auf den ersten Schlag mit dem Hammer
mußt Du's finden."