A20: Flucht in die Finsternis (Der Verfolgte, Wahnsinn), Seite 61

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sich im Bette auf. Drängte sich ihm die Vermutung immer gebieteri-
scher auf, dass Alberta von seiner Hand den Tod gefunden, so war sie
vielleicht nicht die einzige gewesen,die dieses Schicksal erlitten
hatte. Vor mehr als zehn Jahren war seine junge Frau völlig uner-
wartet dahingeschieden. Eines Morgens war er in ihr Schlafzimmer ge-
treten, um vor dem Gang ins Amt ihr den gewohnten Kuss auf die Stirn
zu drücken; da hatte er sie tot im Bett gefunden; und er erinnerte
sich heute mit Grauen, dass er damals, im ersten Augenblick wenigstens,
keine sonderliche geschütterung, ja kaum ein heftiges Erstaunen
verspürt hatte. Der Arzt hatte den Tod der jungen Frau wohl als
ein an sich seltenes Vorkommnis, aber doch mit Rücksicht auf ihre,
für so junge Jahre nicht unerhebliche Ueppigkeit und gewisse von
Zeit zu Zeit auftretende Herzbeschwerden keineswegs als rätselhaft
hingenommen; und da im übrigen nicht der geringste Verdacht auf
Selbstmord oder gar auf ein Verbrechen vorlag, so war der Leichnam
ohne weitere Untersuchung ins Grab gesenkt worden. Die Ehe hatte
innerhalb ihrer ganzen dreijährigen Dauer durchaus als glücklich
gegolten, und Robert hatte das liebevolle, sanfte, etwas bequeme Ge-
schöpf stets, nicht nur vor den Leuten, sondern auch daheim, wenn nicht
mit Zärtlichkeit, doch mit ritterlicher Galanterie behandelt. Nur er
selbst wusste, wie schwer er von allem Anbeginn gerade unter der
Sanftmut und Gutherzigkeit seiner Frau gelitten hatte; wie ihre zu-
weilen törichten Bemerkungen,wie ihr Schweigen, wie ihre Art mit ge-

rundeten Lippen seine Küsse hinzunehmen und zu erwarten, wie einfach
infache.
die Tatsache ihres Vorhandenseins ihn oft mit einer hilflosen, müh-