A228: Spaziergang, Seite 1

G.F.H.P
Wiener Spiegel
Capt'y
Spasiergang
von
Arthur Schnitzler
(Deutsche Zeitung 1891)
Junisonne, die langsam verglomm. Es war draussen, weit vor der
Linie, und in langer Reihe dehnten sich hohe einförmige Häuser, in häss-
licher, weiss-gelber Fgabe schimmernd. Viele Fenster waren offen, Männer in
Hemdärmeln schauten heraus und verfolgten die klingelnde Tramway nit ge
dankenlosen Augen; Frauen in nachlässigen, schlotternden Blousen blick-
ten ins Blaue, Kinder spielten auf den Strassen, schmutzig und lärmend;
auf auf den matt grünenden Wiesen, die hier begannen, um sich weiter
hinaus in schlichternes Hügelland zu verlieren, waren ärmliche Menschen,
die sich nach freier Luft sehnten, ohne es zu wissen; Buben und Mädel,
die auf der Erde kugelten oder hin und her liefen, Solda/ten mit blöden,
fröhlichen Feierabendsgesichtern, schlechte Sigarren rauchend; Dirnen,
die meist zu zweien oder dreien, laut lachend, über's Feld schritten;
zuweilen einsame Spaziergänger, die da heraus gewandter kamen, um von der
Stimmung dieses seltsamen Grenzgebietes zu kosten, wo die Stadt all-
mälig aufhört, und ihr dumpfes, langes, angstvolles Atmen in einem müden,
tröstlichen Seufzen aushaucht,
So waren auch die vier Freunde heute da heraus gelangt. Die Sonne
verglomm, kühle Schatten schlichen an den Mauern hinauf, langsam, bis sie
sich auf den Dächern verloren. Nur weit draussen noch auf des letzten
Häusern lag ein rötlicher, schmerzlicher Schimmer. Und sie spazierten
weiter bis zu den allerletzten Häusern. Die Strasse war jäh abgeschnitten,
hier endete die Stadt. Sie wandten sich um und schauten in den Dunstkreis
zurück, aus dem die Strassen mühselig heranzuschleichen schienen. Sie
blieben stehen.
"Merkwürdig!" sagte Hans. "Als ich vor zwei oder drei Jahren
ein paar Monate in Auslande verbachte, habe ich mich wohl nach der Ring
strasse, nach unseren Theatern, nah dem Rathaus, nch einigen schönen
Wiener Mädeln und ein bischen nach euch gesehnt, aber das wahre Heinweh,
das, bei dem einem die Tränen kommen, das habe ich eigentlich doch nur
empfunden, wenn mir die Erinnerung an Orte kam- wie der da einer ist. Hier
ist für mich die Seele Wiens. Hier, wo es anfängt, so still.... so einsam
zu werden...
"Aber entschuldige," sagte Max, "gerade hier hört ja das Charak-
teristische auf. Das ist vielleicht eine halb unbewusste Erinnerung,
welche sich für dich xxx mit dieser Stelle verknüpft und gerade hier
lk werden lässt. Möglicherweise liegt es
dieses Gefühl der