A20: Flucht in die Finsternis (Der Verfolgte, Wahnsinn), Seite 4

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der linden Luft, die auf dieser südlichen Insel auch an solchen Spät-
oktobertagen noch mit sommerlicher Wärme zu schmeicheln pflegte. All -
mählig kam ihm das Gefühl, als wäre der Moment, den er eben durchleb-
te,in Wirklichkeit längst vergangen,und er selbst, sowie er eben da-
stand, auf dem Landungssteg, den Hut in der Hand, mit geöffneten Lip-
pen, ein verschwimmendes Bild seiner eigenen Erinnerung. Er hätte
gewünscht, dieses Gefühl, das ihn keineswegs zum ersten Mal und durch-
aus nicht als ein unheimliches, sondern eher als in erlösendes über-
kam, länger festhalten zu können; aber mit dem Wunsche selbst war
es auch geschwunden. Und nun war ihm, als hätte er mit der Gegenwart
sich entzweit; Himmel, Meer und Luft waren fremd, kühl und fern ge-
worden, und ein blühender Augenblick welkte dürftig dahin.
Robert verliess den Steg und beschritt einen der schma-
len, wenig begangenen Pfade, die unter Kiefern und Steineichen, zwi-
schen wildwachsendem Gestrüpp, ins Innere der Insel führten. Doch
auch die Landschaft schien ihm duftlos, trocken und ihres gewohnten
Reizes wie entkleidet. Er freute sich jetzt, dass die Stunde der
Abreise nahe war, und in seiner Seele tauchten höchst lebendige Bil-
der von winterlich-städtischen Vergnügungen auf, nach denen ihn schon
lange nicht mehr verlangt hatte. Er sah sich im Theater, auf einem
bequemen Samtsessel der Betrachtung eines heiteren Bühnenspiels
hingegeben, sah sich durch hellbel suchtete, menschenerfüllte Stras-
sen wandeln, zwischen lookenden Auslagefenstern mit köstlichen Ju-
welen und Lederwaren und endlich erschien ihm seine eigene Gestalt,
ein wenig aufgefrischt und verjüngt,im stillen Winkel eines behag-
lich-vornehmen Restaurants an der Seite eines weiblichen Wesens,
dem seine Phantasie unwillkürlich Albertens anmutige Züge verlieh.