A20: Flucht in die Finsternis (Der Verfolgte, Wahnsinn), Seite 5

Zum ersten Mal seit der Trennung dachte er ihrer heute mit einiger
Wehmut; er fragte sich, ob es sonderlich klug gewesen war, sie wi-
derstandslos dem jungen Amerikaner zu überlassen, dessen sie, der
gefährlichen Hähe entrückt, nach wenigen Tagen gewiss nicht mehr
gedacht hätte und überlegte,ob es in jenem abendlichen Waldgespräch
am Vierwaldstädtersee nicht vielmehr seine Pflicht gewesen wäre,
die Freundin zu warmen,- statt ihr zur Annahme eines Heiratsantrages
zu raten, der, trotz aller leidenschaftlichen Bestimmtheit, als Ergeb-
nis einer Bekanntschaft von nur wenigen Tagen, doch einigermassen
verdächtig erschien. Freilich täuschte sich Robert auch darüber
nicht, dass sein augenblickliches Missbehagen viel weniger aus sol-
chen verspäteten Gewissenszweifeln, als aus der dankbaren und nun
beinahe schmerzlich erwachenden Erinnerung seiner Sinne floss.
Verspätet ins Hotel zurückgekehrt,nahm er sein Mittag-
essen wie immer allein an einem der breiten Saalfenster mit dem
Blick aufs Meer. Nachher verabschiedete er sich höflich von eini-
gen Badebekanntschaften und liess sich endlich für eine kurze Weile
am Tisch der Damen Kostner nieder,die auf der Uferterrasse ihren
Nachmittagskaffee tranken. Fräulein Paula, der Robert während sei-
nes Aufenthalts auf der Insel keine besondere Aufmerksamkeit ge-
schenkt hatte, wie ihm überhaupt der Verkehr mit unverheirateten
Damen aus guter Familie wenig zusagte, betrachtete ihn heute mit
einer Teilnahme, die ihn nachdenklich stimmte. Als er zum Abschied
nicht nur der noch immer schönen, etwas hoheitsvollen Mutter, sondern,
gegen seine Gewohnheit, auch der Tochter die Hand küsste, fühlte er
auf seiner Stirn den warmen Glanz eines freundschaftlich-nahen
„Blickes ruhen, der gleichsam dunkler wurde, als ihn Roberta augen