A20: Flucht in die Finsternis (Der Verfolgte, Wahnsinn), Seite 14

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befreit; ja ihm war, als wäre nun von allen Möglichkeiten, die sein
Dasein bedrohen könnten.gerade jene düsterste ein für alle Mal
aus der Welt geschafft. Auch als er sich im letzten Frühling ge-
mungen sah, jeder Beschäftigung zu entsagen, weil sein Gedächtnis
versagte;- als er sich aus der Gesellschaft zurückzog, weil ihn
die gleichgültigsten Worte ärgen ich, oder gar schmerzlich berühr-
G:A:S:
ten, als er sogar sein geliebtes Klavierspiel aufgeben musste, weil
Manchurss
es ihn selbst plötzlich bis zu Thränen rühren konnte, deren er sich
dann schämte;- auch damals hatte er keineswegs den Ausbruch des
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Wahnsinns gefürehtet, so wenig eine solche Befürchtung ihn während
der ganzen Reise gequält hatte; und er wusste untrüglich,dass
gestern Abend im Eisenbahnwagen vor dem Einschlafen das schicksals-
volle Wort für ihn zum ersten Mal aus seiner Buchstabentotheit wie-
der zu lebendiger Bedeutung erwacht war. Damit aber schien ihm der
Vertrag zwischen ihm und seinem Bruder neu in Kraft getreten, und
jenes Schreiben, das Otto gewiss sorgfältig aufbewahrt hatte,war
zum Schuldschein geworden,gegen dessen stumme Unerbittlichkeit es
in einer herandrohenden Stunde keinen Einspruch gab. Doch bedurfte
es überhaupt eines solchen Scheins? War Otto nicht der Mann einen
Verlorenen aus der Welt zu schaffen, auch ohne durch einen binden-
den Vertrag der Verantwortung enthoben zu sein, einfach aus Menschen-
liebe? Und Robert zweifelte nicht,dass sich kluge und edle Aerzte
zu einem Vorgehen solcher Art viel öfter entschliessen, als im All-
gemeinen bekannt zu werden pflegt; auch ohne Rechtfertigungsbriefe
in der Hand zu haben, wie Otto einen besaa.
Aber kam es nicht auch vor, dass Aerste sich täuschten?
Können sie nicht selbst irrsinnig werden und einen geistig Gesunden