A20: Flucht in die Finsternis (Der Verfolgte, Wahnsinn), Seite 19

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bezogen. Ich verspürte auch eine sonderbare Müdigkeit der linken
Gesichtshälfte und -" er wagte sich immer weiter vor - "das linke
Auge konnte ich kaum öffnen. Zugleich, da er den Blick Leinbachs
doch mit einer gewissen ärztlichen Schärfe auf sich gerichtet sah,
riss er beiden Augen weit auf, um sich ja nicht zu verraten.
"Unsinn", sagte Leinbach,"Eine Seite ist bekanntlich
immer schwächer als die andere. Die sogenannte Symmetrie der beiden
Körperhälften ist überhaupt eine Fabel, das weisst du doch. Uebri-
gens - wo bist du nur zuletzt gewesen? Am Meer, im Süden, nicht wahr?-
das war vielleicht nicht ganz das Richtige, besonders als Abschluss.
Ich an deiner Stelle würde doch, bevor ich mein Amt antrete, für ein
paar Tage Gebirgsluft schnappen.“
"Du glaubst -?"
"Nicht etwa, dass ich es für notwendig hielte - keine
Spur. Aber wenn man's tun kann...“ Er seu mte. “Von mir aus
magst du natürlich ruhig in Wien bleiben."
Der Dichter Kahnberg trat an den Tisch, begrüsste Ro-
bert zu dessen Verwunderung wie einen sehnlichst erwartet an Freund,
sog ihn mit sich an einen Nebentisch, erzählte ihn die Fortsetzung
einer Herzensgeschichte, von deren Beginn Robert seiner Erinnerung
nach niemals das Geringste erfahren hatte und erkundigte sich, ob
ein Buch, das er an ihn vor etlichen Monaten abgesandt, rie Mitg ange-
langt sei. Robert besann sich, dass ihm das Werk, ein Drana in Versen,
mit einer sehr warmen Widmung von der Hand des Dichters erreicht,
und dass er es auch gelesen hatte. Doch vermochte er sich des In-
halts durchaus nicht zu erinnern. Er war eben in Verlegenheit, wie
er sich verspätet bedanken und was er über das Buch sagen sollte.
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