A20: Flucht in die Finsternis (Der Verfolgte, Wahnsinn), Seite 55

-85—
"So, durchgegangen? Ich habe noch nichts gelesen. Uebri-
gens kenn' ich ihn nur ganz flüchtig. Aber seine Familie habe
ich erst gestern gesprochen. Sie waren hier heroben, Frau und
Tochter. Gestern Abend sind sie abgereist.'
"So - die waren hier? In der Zeitung stand allerdings,
sie seien von Wien abwesend.... ja... Offenbar hat er die Fami-
lie heraufgeschickt,um indess in Ruhe seine Vorbereitungen tref-
fen zu können. Er soll schon seit sechsunddreissig Stunden ver-
schwunden sein. Schade um ihn. Er war ein sehr begabter Mensch."
Bek
Robert konnte sich der Empfindung nicht erwehren,
dass er eigentlich eine angenehme Neuigkeit erfahren hatte. Durch
das Unglück,das die Familie betroffen,war er Paula nähergerückt,
war in gewissem Sinne in ein geheim-verwandtschaftliches Verhält-
nis zu ihr geraten. Er sprach mit Leinbach über die Angelegenheit
nicht weiter; doch statt erst am nächsten Morgen,wie seine Absicht
gewesen, reiste er noch am selben Nachmittag mit ihn heim, zu Lein-
bachs grosser Befriedigung, der zwar stets behauptete für Einsam-
keit zu schwärmen, aber sich ohne Gesellschaft sehr unglücklich
zu fühlen pflegte.
Ralf
de mie
Bei der Art seiner Beziehungen zu der Familie Kest-
ner konnte Robert, so sehr es ihn dazu drängte, doch nicht daran
denken, persönlich Erkundigungen im Hause einzuziehen. Doch ver-
liess er noch in später Stunde seinen Gasthof, um, von unbezwing-
licher Sehnsucht getrieben, an den zu seiner Verwunderung zum Teil
ganz hell erleuchteten Fenstem der Kostner'schen Wohnung vorü-
bersuwandeln. Allmählich erst besann er sich, dass auch das ausser-
ordentlichste Schicksal sich nicht sofort in einer entschiedenen