A20: Flucht in die Finsternis (Der Verfolgte, Wahnsinn), Seite 57

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und ihn mit der Mitteilung überraschte, dass Hofrat Palm aus Ge-
sundheitsrücksichten zu Beginn des nächsten Jahres in Pension
gehen dürfte. "Sie werden, lieber Herr Sektionsrat", fügte er hin-
zu, "schon in nächster Zeit dem Herrn Hofrat einen Teil seiner
Agenden abzunehmen haben, und Doktor Renthal, der sich während Ih-
rer Abwesenheit wirklich famos eingearbeitet hat, wird Sie in Ih-
rem Referat vorläufig weiter vertreten." Sollte man damit gerech-
net haben, dachte Robert flüchtig, dass ich nicht wiederkomme?
Dann fiel ihm ein, dass Baron Prantner,der in Trauer gekleidet
war, im Laufe des Sommers seine Frau verloren hatte. Obwohl Robert
ihm schon von der Reise aus sein Beileid kundgegeben hatte,hielt
er es doch für angebracht, auch jetzt einige Worte der Teilnahme
zu äussern, Der Baron drückte ihm die Hand und sah zu Boden. Hm,
dachte Robert, sollte er sie auch umgebracht haben? Das ist viel-
leicht viel häufiger als man ahnt. Es wäre interessant diesen
Dingen nachzugehen. Vielleicht ahnt er das Gleiche von mir und
ist darum so auffallend liebenswürdig. Gibt es am Ende eine Art
Freimaurerzeichen für uns Mörder? Sonderbar,er hält noch immer
meine Hand fest...
In diesem Augenblick trat Hofrat Palm ein. Robert erwie-
derte den Willkommgruss des Hofrats mit Unbefangenheit und bald war
zwischen den drei Herrn ein berufliches Gespräch im Gang, im Ver-
lauf dessen Robert Gelegenheit nahm, seine Ideen zur Ungestaltung
des musikalischen Unterrichtswesens vorzubringen. Man hörte ihn
mit Interesse an. Nachher stattete er einigen Amtskollegen in
ihren Kanzleien Besuche ab und manche beglückwünschten ihn zu
seiner Genesung in so scherzhaften Ton, als hätten sie seine Er¬