A20: Flucht in die Finsternis (Der Verfolgte, Wahnsinn), Seite 117

-117-
ne Seele zogen. Irgend etwas freilich musste geschehen. Doch mehr
aus natürlichen Verstandesfolgerungen, als aus einem Gefühl von
Furdht ergab es sich für ihn, dass er keineswegs hier bleiben, daß
er in jeden Falle weiterfliehen müsste. Die Frage war nur - wohin
Wären ihm die Verfolger nicht morgen schon auf der Spur,so würden
sie es in wenigen Tagen sein; und selbst wenn es ihm gelänge das
Land, ja den Kontinent zu verlassen,und die neue Welt zu erreichen,
vorder fixen Idee eines Wahnsinnigen war er doch nirgends in Si-
cherheit und am Ende konnte ihn dieses Bewusstsein dauernder Ge-
fahr und ewigen Verfolgtseins in Wirklichkeit um den Verstand
bringen,so dass er die Andern ins Recht gesetzt, seinem Bruder
gewissermassen in die Hände gearbeitet und - ein teuflicher Witz
des Schicksals - dessen Wahnidee bestätigt hätte.
Er verliess das Gasthofsimmer und spazierte draussen
auf dem menschenleeren beschneiten Marktplatz hin und her, sehr
gemächlich, eine Zigarre im Munde,so dass er jedem, der ihn so ge-
sehen, als ein sorgloser Wintertourist hätte erscheinen müssen.
Plötzlich fielen ihm die Aufzeichnungen wieder ein, die er am Abend
niedergeschrieben hatte. Könnt' ich's nicht wagen, mit ihrer Hilfe
den Kampf aufzunehmen? fragte er sich. Wer diese Aufzeichnungen
liest, kann mich nicht mehr für wahnsinnig halten. Aber ich werde
das Ganze noch einmal schreiben, ausführlicher und verständlicher.
Morgen mit dem ersten Zug fahre ich weiter, gehe dann an einer
Zweigstation auf eine andere Strecke über, irgendwohin, wo mich
niemand vermutet, und dort setze ich meine Anklage- oder meine
Verteidigungsschrift sorgfältig auf. Anklage oder Verteiligung?
Ja, was ist es eigentlich? Und er grübelte nach. Wie ein blasses
seln